Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 2 April 1941

Bergen, den 2.4.1941

Mein liebes Lottenkind,

Nun bin ich 3 Tage nicht dazu gekommen, Dir zu schreiben und habe ein sehr schlechtes Gewissen. Am Sonntag war ich mit dem Rad raus und Montag und Dienstag hatte ich sehr anstrengenden Spätdienst.

Am Sonntag war es herrlich. Ich hatte ab 14 Uhr frei. Habe dann gegessen und bin dann in Richtung den Halden (???) losgefahren. Zuerst hinter den Dünen und dann am Meer entlang. Es war ein steifer Wind aber Sonne. Ich sah ein Schiffswrack mit einem deutschen Geleitszug, Ich sah saubere Dörfer hinter mächtigen Deichen, ich sah zahlreiche Windmühlen und Kanäle, ich sah Spaziergänger auf den Deichen und segelnde Möwen, ich sah endlose Weiden und endloses Meer, kurz ich sah Holland und ich war froh und glücklich und innerlich ganz frei. Abends habe ich dann im „Ode Prinz“ ein Wiener Schnitzel gegessen mit herrlichen Bratkartoffeln und grünen Bohnen und dann ein Glas Bier. Dann bin ich glücklich, aber todmüde ins Bett gesunken. Und auf diesem Bett, Lotting, lag ein schöner, ein lieber Brief von Dir. Nun frage ich Dich, war das kein Sonntag?

Und dieser Sonntag hat in mir einen Plan, den ich seit langem halb spielerisch erwog, zum Entschluss reifen lassen. Lotting, ich werde nach dem Krieg meinen Doktor machen. Ich nehme an, dass für einige Zeit erleichternde Bedingungen für das Doktorexamen eingeführt werden, das werde ich ausnützen. Ich nehme mir ein Thema aus dem Immobilienfach, damit gleichzeitig meine Rechtskenntnisse erweitert werden, und dann geht es rann(!). Sieh mal, meine Firma sieht es niemand an, dass ich Akademiker bin. Referendar kann ich mich mit 38 Jahren nicht mehr nennen. Ich glaube, dass

es auf alle Fälle richtig ist. Ich werde dann hier keine Bücher mehr lesen, sondern den Schaeffer studieren. Du müsstest mir dann die gewünschten Schaefferbände besorgen, und ich arbeite dann hier vor. So nun schreibt mir mal, was Du davon hältst. Ich tue es aber auch, wenn Du nichts davon hältst. Ich freue mich richtig darauf, mal wieder wissenschaftlich zu arbeiten. Zeit für meinen Beruf habe ich dann auch noch, denn ich werde nur abends arbeiten und Du hilfst mir hier dann ja auch sicher feste im Geschäft.

Schicke mir also mal zuerst den Schaeffer B.G.B. Allgem. Teil (neueste Auflage). Ich nehme an, dass ich etwa in ¾   Jahr den Doktor habe.

Es grüßt Dich herzlich                                  Dein oller Harald