Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 12. April 1941

Bergen,     den 12.4.41

Mein liebes Lotting,

Na also gestern kam der Segen 3 Briefe von Dir und einer von Mutter. Ich bin wieder sehr zufrieden und beruhigt. Ein Brief ist doch etwas Wunderschönes und nun erst 4. ich habe mich sehr gefreut. Eine ganz große Freude waren mir die Zeichnungen der Kinder. Heidi ist ja ein ganz Rafiniertes (!). Wenn sie keinen Osterhasen zeichnen kann, verfrachtet sie ihn einfach hinter einen Baum. Auch eine Lösung! So nun hab Du nochmals herzlichen Dank für Dein Osterpaket und für die 30 Mk. Ich habe an Kläuschen doch noch ein Osterpaket zusammen bekommen. Wo steckt denn Thea jetzt und wo Hans? Haben Hansi und Thea doch noch Krach bekommen? Mutter machte so eine Andeutung. Sind Eure Osterpakete und die Karten noch rechtzeitig angekommen. So sind die Holländischen Paachfest (?) (Passah)-Karten. Ich kann nichts dafür aber den Kindern werden sie wohl Freude machen.

Ich habe auch einen schönen großen Gummiball gekauft, den ich Ursel zum Geburtstag schenken will. Ich weiß nur noch nicht wie ich ihn verpacken soll. Sag mal sind Heidis Schuhe noch nicht angekommen? Du schreibst garnichts davon. Ich kann hier bis Nr 23 noch Bezugsscheinfreie Schuhe kaufen. Braucht Jürgen keine? Wenn ja dann schreibe bitte sofort.

Gestern Nachmittag hatte ich frei und habe einen Spaziergang gemacht. Es war regnerisch und neblig so recht ein Wetter für Karfreitagsgedanken. Das Meer rauschte, sodaß man es schon weit in den Dünen hörte und das Salz schmeckte man auf der Zunge und der Wind pfiff bis auf die Knochen. Mehr und Nebel verwoben sich in eins. Am Morgen hatte ich die Matthäus-Passion gehört. Leider nur ganz leise, da ich fürchten mußte, daß das Radio abgestellt werden würde, wenn der Feldwebel auch nur einen Ton hörte. Nicht etwa weil das Radio spielen während der Arbeit verboten wäre, nein Tanzmusik kann mit mit Windstärke 12 gespielt werden, sondern einfach weil es gute Musik ist, die er in der Seele haßt.

Es war auch beschämend, daß (man) die Passion nur auf ausländischen Sendern zu hören war.   - Eben kommt Dein Brief vom 9. 4. Ich versuche mir diese Einquartierung vorzustellen und bin maßlos eifersüchtig, daß er bei uns im Zimmer sitzen kann und die Gemütlichkeit unseres Heimes genießen kann, in einem Bett schläft usw., während ich hier auf Strohsack sozusagen in Feindesland liege. In Wirklichkeit gönne ich es ihm natürlich von Herzen. Seit nur echt nett zu ihm. Als Soldat kann man das gut gebrauchen als Gegengewicht für so mancher schreckliche Störung des seelischen Gleichgewichts. Wer weiß was ihn noch bevorsteht. (Anm.: Herr Schüler tatsächlich im Winter 1941/42 offenbar vor Moskau verschollen.) Den Sekt kannst du ruhig nehmen, das alles bekommt ihm gut. Er muss aber liegen. Wenn Du mehr nehmen willst und kannst, dann trink doch mal eine Flasche, dann weist Du ja Bescheid.

Ich habe gestern ein Paket mit 1 Pf. Kakao und etwas Kaffee abgeschickt. Der Kakao ist schon doppelt so teuer geworden wie er damals war. Er kostet 3 Gulden = 4 Mk das Pfund.

Es gehen hier Gerüchte, die von der Verlegung unserer Staffel nach Dresden wissen wollen. Ich glaube nicht daran, aber mit einer Verlegung nach Serbien oder Griechenland wäre ich durchaus einverstanden. Wahrscheinlich ist aber alles Schwindel, denn wir sind gerade im Begriff noch eine neue Staffel aufzustellen.

Habt ihr nochmal Alarm gehabt? Der Tommy gibt sich ja jetzt ein wenig mehr Mühe, etwas zu erreichen. Wir haben vorgestern eine Special- Spitfire abgeschossen bzw. zur Notlandung gezwungen. Sie war unbewaffnet und wurde seit Wochen als Aufklärer eingesetzt. Sie war unheimlich schnell 6-700 km Reisegeschwindigkeit. Die Bewaffnung war zu Gunsten der Geschwindigkeit weggelassen. Auf ihren Abschuß war Silberpokal vom General ausgesetzt. Sie wurde heute auf unseren Platz gebracht, wo sie untersucht wird. Ich habe sie mir genau angesehen. Es war ein britischer Generalstabsoffiziere drin, der gefangen genommen wurde.

Haben sich die Kinder die Kinder über mein Bildchen gefreut.

Mutter schreibt, sie würde sich freuen, wenn ich mit Hildebrandt zu tieferen Gesprächen kommen könnte. Ernst ist noch in Amsterdam, wird aber jetzt wohl bald zurückkommen. Ich habe mich oft und lange mit ihm unterhalten, aber was ich bei ihm und vielen vermisse ist gerade die Tiefe und das Suchen nach dem Letzten. Sie geben sich mit Lehrsätzen und Dogmen zufrieden, berauschen sich an geschliffenen Definitionen oder an Derbheiten eines Abrah. A Santa Clara und getraue sich nicht selbst zu urteilen. Wo Definition und Naturgesetz sich nicht decken, erkenne ich nur das Naturgesetz an, denn es ist göttlicher Wille. Aber da trauen sie sich nicht ran. Ernst ist sehr gedrückt, ich muss ihn an allen Ecken aufmöbeln ebenso den PriesterLehbring. Sie werden mit der Welt einfach nicht fertig, wenn es nicht nach ihrer Mütze geht. “ Ich möchte Euch erlöster sehen, Ihr Erlösten“   beide haben mich 10mal nötiger als ich sie. Ich trage das, was mir auferlegt ist, fröhlich, freue mich über jede Zigarette, über die Sonne, über die Vögel über das Meer und den Wind, über unsere Erfolge und lasse das “ ja aber“ einfach weg.

Deshalb sind sie auch hinter mir her wie die Hündchen. Hildebrand nannte mich schon in Reinsehlen seinen Transformator. Es ist mir manchmal lausig schwer von Euch weg sein zu müssen und morgen wird es ja wohl wieder wie Berge über mir zusammen stürzen, denn am Osterfest sind die Vorstellungen ganz besonders plastisch. Ganz im Gegensatz zu früher bin ich heute am fröhligsten ( !) Und unbeschwertesten allein, dann brauche ich keine Energien an die Probleme anderer, die für mich doch meistens wenig Bedeutung haben, zu verschwenden.

Jetzt bekommt Ihr nochmals recht liebe Ostergrüße selbst auf die Gefahr hin, daß es bis sie bei Euch sind keine Ostergrüße mehr sind, Dir einen lieben, lieben Kuss     Dein Harald

Der Füllhalter ist nicht kaputt aber er ist in der Unterkunft und die Briefe schreibe ich jetzt meistens im Büro.

Frau v. Salvini hat mir 2 kl. Bücher und einen sehr lieben Brief geschrieben. Suche mir doch bitte mal die Feldpostnummer von Robert heraus.