Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 18. Februar 1944

den 18.2.44

Liebster Mann!

Ich bin doch dafür, wir wollen trotz aller Arbeit keine langen Pausen im Schreiben eintreten lassen und auch nicht das Schreiben lassen, weil wir uns nicht dazu in der Stimmung fühlen. Das ist bei Briefen an alle anderen der Fall, aber bei uns ist das doch kein Grund. Ich bin dafür, wir schreiben uns eher den Ärger und die Enttäuschungen, die wir durchmachen, als gar nicht, denn einer ist doch für den anderen da.

So, das war als Einleitung gedacht, damit Du mir nicht wieder so ein Knappschreiber wirst. Im übrigen überbrücke ich mit dem Anfang dieses Briefes die Zeit bis zum Abendessen. (Koteletts mit gedämpften Zwiebeln!!!), das freitags immer ein bisschen schöner ist. Es kommt bei uns aus einer stillschweigenden Übereinstimmung heraus. Freitags wird in den neuen Film gegangen (der heute sehr hübsch war: 'Reise in die Vergangenheit', dann werden die Kinder gebadet und bekommen auch immer, was ihnen besonders schmeckt, heute abend Brötchen mit Butter, Kakao und einen Apfel und hinterher ein paar Bonbons aus der Zuteilung, und dann hat man das Gefühl des Wochenendes, und deshalb muss es etwas Leckeres geben. Das und das Sonntagsessen sind zwei Dinge, auf die man sich freut, das andere wechselt ab bzw. bleibt sich gleich: samstags Kartoffelsuppe, Mittwoch und Donnerstag billige Blutwurst, dienstags Graupensuppe und im übrigen die ganze Woche kein Gemüse bis auf das selbst eingemachte.

Mutter kommt nächste Woche wieder. Der Kreisarzt duldet sie nicht mehr im Krankenhaus, weil das Bett freigemacht werden muss. Ob es gut geht, muss die Zeit lehren.

Das Abendessen liegt hinter uns und nun - ewig gleichbleibender Tagesablauf - wird auf den Achtuhrnachrichtendienst gewartet und so weiter dann. Es gab mal Modetees

und eine 'neue linie' und Veranstaltungen und eine Godesberger Elektrische, die alle Viertelstunde fuhr. Heute ist der neue Fahrplan in der Zeitung, nicht bis auf weiteres, sondern scheinbar endgültig: Von Mehlem bis Godesberg alle halbe Stunde Elektrische, von Plittersdorfer Straße bis Bonn Reichsbahnhof alle halbe Stunde ein Autobus und wiederum alle halbe Stunde Elektrische von Reuterstraße bis Hochkreuz. Nun fährt man natürlich auch nicht mehr nach Bonn, denn die Bahnen waren bei viertelstündlichem Verkehr schon voll genug: 'Immer enger, leise, leise, ziehen sich die Lebenskreise', meinte schon Fontane, wenn auch in anderer Beziehung. Aber wenn der Mittelpunkt, Heim und besonders die Kinder, in Ordnung bleiben, haben wir viel, nein alles gewonnen. Dass wir beide nach dem Krieg kein leichtes Leben haben werden, ist mir genau so klar.

Nun hat mich Frau Engels mit ihrem Anruf völlig aus dem Konzept gebracht. Da und in Garmisch ist wilde Aufregung. Die Post in Elberfeld will auf einem Teil der Engelschen Grundstücke Behelfsbauten errichten. Gut, da kann man ja nichts machen. Nun hat dieser Herr Weyermann, der anrief, vorgeschlagne, man solle dann die Grundstücke für Mk. 6.- pro qm an die Post verkaufen, denn runter bekäme man sie sobald nicht mehr. Aber das Geschäft will er scheinbar machen, er scheint Makler zu sein. Nun hat Engels-Garmisch, der ja son bisschen komisch ist, Frau Engels hier in heller Aufregung angerufen, ich solle heute abend!!!! noch Rechtsanwalt vom Brocke in Wuppertal anrufen, ob er dazu rät. Er, der Garmischer, möchte nämlich sehr gern. Erstens ist vom Brocke doch nicht da, zweitens ist ja Weil ein Schaf und ob der noch existiert ist auch noch die Frage. Nun meinte Frau Engels, ob wir, wenn schon verkauft würde, das nicht machen könnten. Das meine ich ja auch und wenn wir uns mit dem Weyermann in Verbindung setzen. Es kann ja wieder wie mit der letzten Sache gemacht werden. Oder irgendetwas kann doch da gemacht werden, dass wir auch etwas verdienen. Hauptsache, äussere Dich möglichst schnell zu diesem Fall. Ich sehe da etwas Geld für uns, weiss blos nicht, wie wir uns da einschalten. Und damit Engels ruhig schlafen können, telegrafiere vielleicht Deine Meinung. Auf jeden Fall antworte umgehend, damit ich weiss, was ich tue und damit uns die Sache nicht an der Nase vorbeigeht. Wenn die beiden Engels so gerne verkaufen, dann sollen sie doch ihre Willen haben, finde ich.

Du müßtest doch im Falle eines Verkaufes auch bei Weyermann etwas bekommen. Gebühr hatte diese Sache doch auch immer mit Wuppertaler Makler gemacht, wie aus dem Schriftwechsel hervorgeht.

Dieser dämliche Telefonanruf hat mich aus der Stimmung gebracht.

100 liebe Grüße und Küsse Deine Lotti