Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 24. Februar 1944

den 24.2.44

Mein lieber Mann!

Diesmal schweigst Du wirklich ausdauernd, denn in ganzen drei Wochen nur ein paar kurze Zeilen ist doch ein bisschen wenig, auch wenn Du viel Arbeit hast. Höchstwahrscheinlich sagst Du Dir, was soll ich schon schreiben, es passiert ja doch jeden Tag dasselbe. Und dafür habe ich Verständnis, denn mir kommen meine Briefe auch manchmal albern vor, die immer und immer wieder dieselben Themen abwandeln. Aber schließlich schreiben wir uns unsere Briefe ja nicht um der äußeren Begebnisse willen, sondern unseretwegen. Woran liegt es also?

Bei Euch wird es ja wohl so kalt sein wie hier, und wir schimpfen weidlich auf das kalte Haus bis auf das eine warme Wohnzimmer. Alles andere ist nur lauwarm zu kriegen bzw. bleibt überhaupt auf höchstens drei Grad. Ich habe letzten Samstag das Wagnis unternommen, alle Kinder bei vier Grad Wärme im Badezimmer zu baden. Bis jetzt hat es ihnen außer Jürgen, der toll erkältet ist, nichts ausgemacht, auch nicht die nassen Schuhe und Strümpfe, die sie erst abends vorzeigen, weil sie tagsüber Schlitten fuhren. Weil die Kinder seit Dezember nun auf denselben Schuhen rumlaufen, kannst Du Dir denken, in welcher Verfassung die Sohlen sind, an den Seiten sind die Schuhe auch aufgeplatzt. Dass sie sich nichts dabei holen, ist ihrer anscheinend eisernen Gesundheit zuzuschreiben. Nun sollen aber endlich nächste Woche die Kinderschuhe fertig sein. Sei´s drum.

Im übrigen zwitschern die Vögel, und die Kälte wird ja wohl jetzt, Ende Februar, nicht mehr gar so lange dauern. Deinen Mantel bin ich bis jetzt noch nicht an die Reinigung losgeworden. Wenn es nun nächsten

Montag klappen sollte, kriege ich ihn vor sechs Wochen doch bestimmt nicht zurück. Ich zähle deshalb an den Knöpfen ab, ob ich es tun soll.

Mutter kommt nun am Samstag zurück. Das Bett wurde noch nicht besetzt, und so konnte sie ein paar Tage länger bleiben. Heute nachmittag will ich wieder zu ihr. Ich freue mich auf den nächsten Monat, weil ich hoffe, dass es dann wärmer sein wird. So durchgefroren bin ich heute morgen. Tatkraft und Arbeitslust frieren gleicherweise ein. Und dabei strahlt die Sonne von einem wolkenlosen Himmel.

Hast Du in Stade etwas erreicht? Bist Du überhaupt dort gewesen? Wenn Du wirklich keine Lust zum Schreiben hast, lasse es ruhig. Ich bin nicht böse, wirklich nicht. Ich weiß, dass man manchmal innerlich wie ausgetrocknet ist und so, dass man wirklich keine Worte findet.

Viele liebe Küsse, Deine Lotti