Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 27. Februar 1944

den 27.2.44

Mein liebster Mann!

Also wird nun die Episode Jever wohl zu Ende sein. Es tut mir etwas leid, denn ich konnte mir so schön vorstellen, was so alles um Dich war, und hatte Jever auch gerne.

Nun hatte ich Dir gestern einen Brief postlagernd geschickt, den Du wohl nicht mehr bekommst. Es wäre dumm, wenn er verlorenginge, denn ich hatte Dir darin die Aufstellung der Zahlungen geschickt, und weil ich gestern den Rest in einem Überweisungsscheck ausschrieb (sei nicht böse über diesen kräftigen Endspurt, aber ich konnte nicht anders, ich musste diesen Felsen von der Seele haben, damit ich nicht jeden Morgen überlege, wie ich die Schuld schneller abtrüge, und mit meinem Konto komme ich schon wieder zurecht), musste ich Dir das Papier schicken. Und nun kommt die Verlegung dazwischen. Vielleicht habe ich es nicht klug gemacht, aber ich musste es tun, es trieb mich zu sehr.

Ob Du nun schon unterwegs bist? Schreibe mir auch, wie lange der Feldpostbrief läuft. Vielleicht können wir uns in Zukunft wieder so schreiben.

Lisbeth ist heute zu Hause, und unser Tag wird mit den kleinen Alltäglichkeiten hingetan. Besonderes wird wohl nicht mehr passieren.

Ich glaube ja auch nicht, dass März oder April etwas aus Deinem großen Urlaub werden kann. Die Zeit wird dann wohl zu bewegt sein. Aber es wäre doch zu schön zu denken, dass wir uns vierzehn Tage aneinander freuen könnten, dass wir allein und mit den Kinder Läufe ins Siebengebirge machen könnten im Frühling, und das könnten wir auch mit pausenlosen Alarmen machen, nehme ich an, und wenn es dazu nicht langt, wenigstens am Rhein entlang bis Mehlem gehen. Das letztere würde allerdings nur dann genügen, wenn wir vor Alarmen nicht bis vors Tor könnten. Und vielleicht würden

wir wieder ein Buch zusammen lesen. Das wären so die Freuden, die ich Dir bieten kann.

Unten ist die ganze Menagerie versammelt. Heute spielen sie Arzt, angeregt durch ein paar alte Augentropfenflaschen, die ihnen Frau Schubert geschenkt hat. Nun werden alle Puppen auf Augenkrankheiten behandelt und alle Kinder dazu.

Ach, lieber Pappi, Ursel und Jürgen haben 'so einen Hunger', sie wollen durchaus nichts mehr davon wissen, dass ich den Brief weiterschreibe, ich muss also aufhören. Du weißt ja, wie Ursel quälen kann.

Viele liebe Küsse. Deine Lotti