Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 11. Oktober 1944

den 11.10.44

Mein lieber Mann!

Nur rasch ein paar Worte, ehe ich zu Frau Hillenbrand gehe, die alle Bekannten zu einer Bowle eingeladen hat, „um den Krieg zu vergessen“. Ich lege Dir wieder ein paar Zeitungsausschnitte bei, die alles doch immer genauer erzählen. Heute sah ich fünf Abschüsse, einer davon brannte.

Ursel und Jürgen kamen erst bei Dunkelwerden nach Hause. Sie haben Schwingers wieder beim Umzug geholfen. Aber sie waren so süß in ihrem Dreck, dass ich sie küssen musste.

Helga kam heute ganz aufgelöst nach Hause. Sie hatte eine Menge Verwundeter gesehen, die mit Notverbänden, durch die Blut rann, von der Front kamen und nun matt verdreckt und zerrissen auf den Stufen der Haltestelle der Elektrischen an der Rheinallee saßen, bis ihnen gesagt wurde, welches Lazarett für sie wäre, und dann setzten sie sich müde, humpelnd und stolpernd in Bewegung. Sie hatten Köpfe, Arme, Hälse oder Oberschenkel verbunden. Hier sind viele Gebäude in Lazarette umgewandelt worden, die für die frisch aus den Schlachten Kommenden bestimmt sind, und nun sieht man immer wieder Gruppen Verwundeter, die sich selber noch weiter bewegen können und die dann über Köln oder Bonn nach hier geschafft werden. So nahe ist die Front.

Heute kam ein Brief von Dir vom 29. Die Post geht aber sehr durcheinander.

In Eile viele liebe Küsse

Deine Lotti