Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 10. Februar 1945

den 10.2.45

Mein lieber Mann!

Das Schreiben geht eben wieder besser. Zuerst hatte ich gedacht, die Sehne könnte auch durch sein, aber das ist nicht so.

Eigentlich warte ich nur noch. Auf Dich, auf die Kinder, auf den Wehrmachtbericht, auf das Kriegsende. Tagelang bin ich völlig arbeitsunlustig und möchte nur lesen (als Warten), dann wieder stürze ich mich in die Arbeit und will so leben, als wenn alle Tage so weiterflössen. Aber dann kommt das große Fragwürdige wieder, und man tut alles unter Warten. Es zehrt an den Nerven, dieses Nichtwissen, woraus es mit einem selber hinauswill. Eines Tages denn doch Hals über Kopf wegmüssen, bloß weil vielleicht Kämpfe kommen, denn im Falle einer schnellem Besetzung

ginge ja kein Mensch aus Godesberg fort. -- Die Front schießt immer lauter, die Jabotätigkeit wird immer toller.

Ich freue mich, dass Du wenigstens beruhigende Nachrichten aus Frielendorf schriebst. Es riss mir immer am Herzen der Gedanke an die zwei in die Fremde geschickten Kinder. Nun bin ich darin ruhiger geworden. Man ist auch so noch belastet genug.

Wo bist Du, wo Thea und Hans? Wo Hansi? Ganz abgesehen von unserer ungemütlichen Lage hier. Aber, wie sollte hier alles zum Schluss weg? Köln hat noch eine! beschädigte Brücke. Die Bonner Brücke ist schon angeknackst usw. -

Vorläufig sitze ich auf der Couch und rechne mit Klaus. Der kleine Kerl ist langsam, aber sehr gründlich. Der Unterricht für beide Kinder zusammen kostet monatlich 40,- Mk., aber da ich ja sonst kein Geld außer

den paar Lebensmitteln ausgeben kann, ist es gut zu machen. Übrigens habe ich, falls Du es durch die anderen Briefe noch nicht wissen solltest an Hans Schütz die 1000.- Mk. zurückgezahlt. Nun fehlt nur noch Klaus Banthien. Soll ich das auch erledigen? Oder machst Du das besser? Ich habe dafür auf dem Sparbuch augenblicklich nur etwas über 500,- Mk. Die Frage ist blos, ob uns das nach dem Krieg noch etwas nützt, und ob es nicht besser ist, auch Klaus Banthien abzuzahlen.

Das Schreiben strengt mich doch noch etwas mit dem wehen Daumen an.

Mit dem Film, der letzten Entspannung, ist es nun auch aus. Jetzt gibt es nur noch Leihbücher. Und das ist ein Wettlauf mit dem Alarm, bei dem ich meist den Kürzeren ziehe. Bei den beiden Angriffen ist das Max-Franzhaus zerstört, Fräulein

Hunscheidts Haus in der Bismarckstraße ist abgebrannt (gut, dass sie das nicht miterlebte). Frau Sprocks Haus zerstört, Frau Steins Haus beschädigt, die Villenkolonie Lützowstraße fast ganz zerstört, Klutentreter völlig weg, also Godesberg hat seine Schrammen. Jammervoll.

Heidi schläft bei mir oben. Es ist gemütlicher, das Kind bei sich zu haben, als allein mit meinen Gedanken zu liegen. Heidis Nähe macht dann, dass ich beruhigt einschlafe. Ich freue mich auf Deinen nächsten Brief.

Viele liebe Küsse
Deine Lotti