Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 26. März 1942

den 26. III. 1942

Mein liebes Lottenkind,

heute wird der Brief nur kurz, obgleich ich gestern nicht zum Schreiben gekommen bin. Gestern nachmittag hatte ich nähmlich frei und habe mir erstmalig Jever angesehen. Es ist eine seltsame Stadt und garnicht uninteressant. Es gibt hier auch ein altes Schloß mit einem entzückenden Turm. Die Häuser sind fast alle sehr breit angelegt aber nur sehr niedrig mit sehr stumpfwinkligen Giebeln. Im Kino bin ich auch gewesen und war platt, was so ein kleines Nest für ein Kino hat. Es gab „Diskretion Ehrensache“. Ich entsann mich, den Film vor langer Zeit schon einmal gesehen zu haben, habe mich aber trotzdem über den Unsinn noch mal amüsiert. In der Sache Engels rate ich, auf das Angebot der Stadt Wuppertal einzugehen. Die Stellung der Städte ist nach der nationalsozialistischen Praxis zu stark, als daß wir auf die Dauer dagegen an könnten, zumal ich nicht da bin und Wiel doch eine ziemliche Trantüte ist.

Es muß aber festgestellt werden, daß ein solcher Verkauf sich preislich nicht auf spätere Verkäufe auswirkt, indem man uns ihn dann vorhällt und sagt, ihr dürft nicht steigern oder wohlmöglich gar mit Wertzuwachs kommt. Das muss sich Wiel zusagen lassen. Also denn in Gottes Namen.

Lotting, schreibe mir bitte einen Brandbrief, daß Du mit den Steuern nicht zurecht kämest und daß die Steuer-Behörde mit der Abgaben die Erklärung für die jüdischen Verwaltungen nicht warten könne und daß

sie die Abgabe in Kürze verlangen müsse. Du hättest Angst, daß uns sonst die Verwaltungen abgenommen würden. Alle Vorarbeiten hättest Du erledigt, aber an die Erklärungen trautest du Dich nicht heran. Ob ich nicht wenigstens ein paar Tage Urlaub bekommen könnte, auch wenn ich geschrieben hätte, es sei Urlaubssperre. Ich will mal versuchen, 5 Tage Urlaub herauszuschlagen.

Es ist natürlich klar, daß Du trotz aller Beschränkungen hierherkommst. Wenn alle anderen Soldaten Frauen das fertig bringen, dann kannst Du das auch. Die Reise wird notfalls aus geschäftlichen Gründen dringend. Ich würde empfehlen, mit der Reise bis in den Mai zu warten, da es hier im April wohl noch zu kalt und unfreundlich sein dürfte. Wenn hier nämlich kein schönes Wetter ist, ist es trostlos. Vielleicht werde ich Dich in einer Försterei mitten im Wald unterbringen. Die Leute haben Landwirtschaft und es fällt schon mal ein Ei oder sonst etwas aus der Wirtschaft ab. Bei der weiteren Reduzierung der Lebensmittel halte ich das für wichtig. In den Ferien hat man wenigstens satt (zu) werden. Man hat ohnehin mehr Hunger, weil man dauernd Zeit hat daran zu denken hättest Du Lust dazu oder wärst du lieber mitten in der Stadt? So 5 Tage Urlaub im April und einige Wochen Wiedersehen im Mai wäre doch sicher nicht schlecht! Also mach Deine Sache gut.

Es grüßt Dich die Omis und die Kinder herzlichst und gibt ihr einen lieben Kuss
Dein Harald.