Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 27. März 1942

den 27.3.42

Mein liebes Lottenkind,

ich bin hundemüde, da ich aber Nachtdienst habe und doch noch nicht schlafen kann, dauernd noch Meldungen eingehen, will ich versuchen, Dir einen halbwegs vernünftigen Brief zu schreiben. Inzwischen ist auch ein früherer Brief angekommen, der sich, weiß Gott wo, in der Weltgeschichte herumgetrieben hat, und nun weiß ich auch, daß Du den Umlauf von der Mu geerbt hast. Hoffentlich ist er wieder gut.

Der heutige Wehrmachtbericht hat mir Spaß gemacht, weil in ihm mitgeteilt wurde, daß mein alter Chef, der Oberleutnant Prinz zur Lippe, nicht weniger als 4 Abschüsse letzte Nacht zu verzeichnen hatte. Er hat somit 21 Nachtabschüsse und bekommt daher das Ritterkreuz, was ich ihm herzlich gönne.

Hoffentlich hast Du auf meinen gestrigen Brief gleich einen ordentlichen Klagebrief geschrieben, den ich als Unterlage für meinen Wunsch nach einem 5tägigen Urlaub benutzen kann. Von der hiesigen Dienststelle sind diesen Winter alle irgendwohin zur Erholung geschickt worden. Einige waren in Kroatien, einige im Salzkammergut, andere auf dem Feldberg zum Skifahren. Für so eine schöne Erholung bin ich zu spät hierhergekommen.

Meine Hoffnungen, bald Unteroffizier zu werden, kann ich wohl auch begraben, denn es müßten andere, die schon lange bei der Einheit sind dann hinter mir zurückstehen. Ich glaube nicht, daß man das macht.

Was macht eigentlich die Sache Wölter? Hat W. Ein Preisangebot an Dich gerichtet und was sagen die Erben Engels dazu?

Ich bin mal gespannt, wann der Angriff in Rußland losgeht oder ob es erst in der Türkei losgeht was wird denn so in der Heimat orakelt?

Ich fühle mich jetzt ganz wohl hier, seitdem der Widerstand gegen mich aufgehört hat, man ist sogar recht freundlich gegen mich geworden, und ich habe kein Interesse dran jetzt noch nachzutragen, obwohl die ganze Sache höchst gemein war. Nachdem Riemann, das Unglückswurm, weg ist, ist es beinahe gemütlich geworden, denn die anderen Offiziere sind alle in Ordnung.

Unter den Leuten des Staates habe ich auch einen Joh. Kern getroffen von dem ich früher, durch Vosseler bezogen, weil und zwar Schloss Böckelheimer Kupfergrube getrunken habe. Er hat ein Weingut in Horrweiler bei Bingen. Es war sehr lustig, als wir das entdeckten. Ich habe heute erfahren, daß Wilhelm Lichtschlag in der Nähe von Jever in Sanderbusch im Marinelazarett liegt und operiert ist. Ich will mal sehen, ob ich ihn mal besuchen kann.

Es hat mich gefreut, daß Du mir was von unserem Vorgarten geschrieben hast, es ist ganz seltsam, wie mich das Fleckchen Land interessiert, seit dem ich für seine Gestaltung sorgen muß. Hoffentlich kann das lange Beet mit nicht zu hohen Kosten recht schön bunt bepflanzt werden. Du schreibst mir ja, was Du damit anfängst. Ist übrigens Gottfried Beitin noch im Land, oder hat es ihn auch erwischt? Hier regt sich immer noch kein Frühling und nachts friert es meistens noch ganz tüchtig. Am Rhein ist doch besser sein. Schon wegen des früheren Frühlings. Der Winter hat sich in diesem Jahr seine Sympathien bei mir gründlich verscherzt und nun muß ich noch Ende März auf das Frühjahr warten.

Hast Du irgendetwas unternommen, mein Fahrrad gegen ein Damenrad einzutauschen? Ich fürchte nein. Wenn Du es aber doch nicht tust, dann kann es vielleicht hierher geschickt werden, denn ich könnte es hier großartig gebrauchen, vor allem wenn Du da bist, denn die Wege sind doch hier verteufelt lang. Vom Horst bis nach Jever ist immer eine dicke Stunde. Es fährt zwar ein Omnibus, aber der ist so eingeschränkt, daß er immer dann, wenn man ihn braucht, gerade nicht fährt. So z.B. abends nach 9:00 Uhr.

Du hast mir auch noch gar nicht geschrieben, ob Du meinen Brief mit den Bildern bekommen hast. Die Post scheint da wieder allerhand durcheinandergemixt zu haben. Hier kam ja auch ein Brief von Dir erst nach 7 Tagen an.

Ich lese augenblicklich ein Buch von B. Brehm “ Die sanfte Gewalt“. Was hast Du von ihm gelesen? Ich kann mir noch kein rechtes Urteil erlauben.

Unsere Tipse, Frl. Vogel heist sie, ist keine Nachrichtenhelferin oder Blitzmädchen, da Letztere ist sie ganz bestimmt nicht, sondern nur eine Schreibkraft, wie man so schön sagt. Sie sieht toll aus, scheint aber ein ganz netter Kerl zu sein. Überarbeiten tut sie sich nicht und mit die Fixichkeit ist es auch nicht sehr weit her.

Nun steht ja auch das Osterfest wieder vor der Tür, bekommt ihr irgend welche Zuteilung an Eiern, oder fällt diesmal alles flach? Wenn es aber auch noch so wenig gibt, feiern müsst Ihr doch so schön es irgend geht und mit Kindern geht es eigentlich immer. Sie sind ja letzten Endes so anspruchslos und haben an Kleinigkeiten den größten Spaß. Du mußt mir natürlich schreiben, wie ihr gefeiert habt. Kommt aber ja nicht etwa auf die Idee, mir ein Paket zu schicken! Was sagt denn nun Frau Hillenbrand, wo ihr Mann weg ist? Die 1. Zeit ist doch wohl immer die Schlimmste.

Weist Du eigentlich, ob Mutter mal was über ihr Leben geschrieben hat. Ich hatte sie mal gebeten, ihr Leben und die Menschen, die darin eine Rolle gespielt haben, kurz zu schildern. Frag sie doch mal und gibt ihr einen kleinen Rippenstoß, wenn sie es noch nicht getan hat. Vor mir an der Wand hängt eine große Landkarte und darauf entdecke ich gerade Wolfhagen, daher komme ich darauf.

Ich möchte mit Dir Jan doch in normalen Zeiten mal eine Fahrt ins Hessenländchen machen. Das wäre sicher sehr schön.

So, nun bin ich aber rechtschaffen müde und gebe Dir für heute einen recht lieben Abschiedskuß            
Dein Harald