Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 7. Oktober 1942

O.U., den 7. 10.42

Mein liebes Lottenkind,

ach, was war das für ein lieber Brief, den ich gestern von Dir bekam. Die im vorletzten Brief fehlende Marke liefere ich hiermit nach.

Ich war gestern auch zum 1.Mal in Stade. Es ist ganz reizend. Ein hübsches altes und doch lebendiges, typisch norddeutsches Städchen mit herrlichen Backsteinfachwerk, Giebelhäusern, alten trotzigen Kirchen, die noch wie Glocken unter ihren Küken stehen, ein kleiner bunter Hafen, schöne alte Profanbauten (Rathaus), reizende alte Gässchen, Beguinengasse, Seilerstr., Steile Straße). Ich muß hier unbedingt meinen Foto haben. Wenn Du das Paket schickst, stecke ihn samt Futeral und Belichtungstabe und einem Film von Biederbick (aber nicht 17° Din sondern 21° Din) hinein. Aber dann gut verpacken! Ich werde Dir dann Stade vorführen. Durch das weite Wiesental fließt ein typischer Tieflandfluss, der sich in tollen Windungen der Elbe zuquält. Er heißt Schwinger, besser konnte der Name garnicht ausfallen. Gestern war hier von KdF - ich bin beinahe auf den Rücken gefallen – Manuela del Rio , die ich mir trotz knappesten Geldbeutels für 1,60 Mk angesehen habe. Sie war sehr gut, wie aus Porzellan, auch ihr Partner und die Partnerin sowie der Guitarrist waren gut. Verblüffend war die Kastagnettentechnik. Das Programm lege ich bei.

Das(s) Hänschen das Examen bestanden hat freut mich herzlich. Schreibe mir bitte gleich ihre neue Anschrift, ich bin mit 3-4 Briefen an sie im Rückstand und das tut mir sehr leid. Ich muß das unbedingt gutmachen nun sieht sie doch wieder einen

Weg vor sich. Ich habe mich hier so langsam eingelebt und auch mit den Unzulänglichkeiten Frieden geschlossen bis auf den Strohsack.

Während an der Fertigstellung des Offizierskasinos eifrig gearbeitet wird, kümmert sich niemand um die Abstellung der Missstände bei den Mannschaftsunterkünfte(n) (Waschmöglichkeit, Abort usw.) Wo bleibt da der Gedanke des Volksheeres. Es bleibt aber doch dabei, daß auch im N.S. Staate der Offizier eine bevorzugte Kaste bildet. Schade!

Ach Lotting , trotz all des Ärgers freue ich mich und daran ist Dein lieber Brief und das schöne Sonnenwetter schuld. Es ist zwar nachts recht kalt, wird aber über Tag durch die Sonne hübsch warm, so daß ich mich Mittags ½ Stunde in die Sonne setzen kann. Ich tue das am Waldrand des Schwarzen Berges an einer Stelle, wo ich weder Baracken noch Bauschutt sehe, und blicke in das schöne Land hinaus. Das beruhigt mich sehr und gibt eine gute Grundstimmung, die durch den Krampf des übrigen Betriebes nicht so leicht zerstört werden kann.

Schreibe mir bitte sofort, ob der Brief mit dem Geld angekommen ist (20 Mk). Die Quittung von von den eingezahlten 50,- Mk lag übrigens Deinem Brief nicht bei. Schicke sie mir bitte nach.

So nun Grüße alle herzlich. Gibt den Kindern ein liebes Küsschen und Dich nehme ich in den Arm und drücke Dich ab, daß Dir die Seele quietscht, denn ich hab Dich schrecklich lieb.

1000 liebe Küsse          
Dein oller Harald.