Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 31. Dezember 1942

den 31.12.1942

Mein liebes Lottenkind,

Eben habe ich Deine liebe Stimme im Telefon gehört und bin noch ganz froh darüber. Es ist doch ein Jammer, daß wir so weit voneinander getrennt sind, denn gerade in meinem gegenwärtigen Zustand hätte ich Dich so nötig. Ich weiß nicht, ob es das Alleinsein ist, oder die Kälte oder einfach eine körperliche Indisposition, kurz ich fühle mich miserabel. Wir haben augenblicklich auch alle Hände voll zu tun, denn Fr. Otto ist in Urlaub und Wilhelm liegt noch im Lazarett, sodaß Lucht und ich alles alleine am Hals haben. Das ist vielleicht auf der anderen Seite ganz gut, denn dann kommt man auch nicht zum Nachdenken. Ich kann mich diesmal garnicht richtig hier zurechtfinden, wie es mir auch da Heim nicht ganz gelungen ist. Ich will es mal versuchen zu erklären, Du

// darfst aber nicht traurig werden, denn ich weiß ja ganz genau, daß es die Verhältnisse und nicht die Menschen sind, die daran Schuld sind. Sieh mal der Soldat, oder wenigstens der verheiratete Soldat, lebt im Jahr nur 14 oder 28 Tage und das sind die Urlaubstage. Alles andere ist nur ein Warten auf diese Zeit. In dieser Zeit denkt er an daheim und überlegt sich, was er alles tun wird und wie es daheim sein wird. In den Gedanken gibt es keine Hemmungen und Störungen, in Gedanken kann man alles und in Gedanken und in der Erinnerung wird alles noch schöner wie es war und jemals sein kann. Ich habe hier meinen Kameraden von Adventsfeiern und unserem Weihnachtsfest erzählt, daß sie Mund und Nase aufgerissen haben und dann ist es mir in Wirklichkeit garnicht recht gelungen, in Weihnachtsstimmung zu kommen. Ich habe fast nichts von dem getan, was ich mir fest vorgenommen hatte. Ich war zu müde, es war Krieg, der vieles unmöglich machte, wir waren zu wenig allein – das schönste an unseren Sommerspaziergängen war doch, daß wir miteinander allein  

[Rest fehlt]