Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 9. November 1942

9.11.42

Mein liebes Lottenkind,

endlich komme ich dazu, Dir mal wieder ein paar Zeilen zu schreiben. Es liegen jetzt zwischen meinen Briefen immer Wochen. Es ist ein schrecklicher Zustand, aber nicht zu ändern. Gestern war ein bemerkenswerter Tag für mich, ich bin nämlich auf Befehl von Hptm. Rech 2 Stunden bei schönem Herbstwetter spazieren gegangen. Es war das 1. Mal seit einem Monat und ich muß gestehen, es hat mir sehr gut getan und mir wieder etwas Schwung gegeben, den ich in Staub, Arbeit, Dreck und Ärger gänzlich verloren hatte. Es hat sich überhaupt in letzter Zeit einiges zu meinem Vorteil verändert. Die einschneidenste Änderung ist die , daß ich mit Uffz. Büchner zusammen auf eine Unteroffiziersstube gelegen bin, wo wir 2 zusammen hausen und es uns so

gemütlich wie nur irgend möglich machen. Der Vorteil ist groß. 1. wir sind nur zu 2 Leuten und können uns alles so einteilen, wie es uns passt. 2. Es herrscht eine göttliche Ruhe. 3. Wir haben eine wunderschöne Aussicht u.s. weiter. Wir sind in der Zwischenzeit auch mit den Geschäftsräumen umgezogen und zwar in eine neu errichtete Baracke am Waldrand, in der auch unsere Schlafbude liegt. Auch von meinem Arbeitsplatz aus habe ich jetzt einen herrlichen Blick weit ins Land hinein, statt wie bisher auf einen Holzschuppen mit Briketts. Auch ist alles viel heller und freundlicher. Du glaubst garnicht, was das ausmacht. Der Umzug war aber auch entsprechend scheußlich. Da ich allein bin mußte ich alles einpacken, dann einen ganzen Tag Schränke, Kisten, Panzerschränke usw. schleppen, dann wieder auspacken und dabei dürfte die laufende Arbeit keinen Augenblick unterbrochen werden. Es war lieblich! Es sind beinahe 2 ganze Nächte drauf gegangen.

Aber nun lohnt es sich doch. Leider war die Baracke in die wir eingezogen ( und die Gott sei Dank auch ein Klo hat) sind, noch nicht ganz fertig. Überall liefen noch die Handwerker rum, alte Farbe klebte noch überall lag noch der Baudreck. Keiner weiß, warum nicht 2-3 Tage gewartet wurde, den es drängte nichts. Aber es mußte halt gemacht werden, obgleich es Blödsinn war. Militär!! Nun hat sich alles langsam eingeränkt.

Lotti, wie das hier mit der Arbeit ist, das kann ich gar nicht beschreiben. Es geht ohne Punkt und Komma von morgens bis in die Nacht. Hätte ich jetzt den schönen Blick aus meinem Fenster nicht, ich wüsste kaum, daß es Herbst ist. Ich war in Arbeit und Dreck ganz stumpf geworden. Aber jetzt durch die geschilderten Verbesserungen regen sich wieder Lebensgeister und die Energie kommt langsam zurück. Sie richtet sich zuerst auf die Erlangung eines Sonderurlaubs, da beim Landratsamt von

hier aus nur ein Teilerfolg erzielt wurde. Einen Teil des Unterhaltsgeldes wirst Du wohl in der Zwischenzeit bekommen haben. Ich soll Rech einen Vorschlag machen, wie ich den Urlaub ermöglichen kann. Ich kann eigentlich nicht aber es muß gehen und so wird es auch. Ich hoffe so etwa gegen den 16. November für 3 Tage etwa nach dort zu kommen. Sammele bis dahin sorgfältig alle Belege über Ausgaben, die von den Geldern bestritten wurden. Vor allem auch Ausgaben, die noch für das Geschäft gemacht wurden. (Bezahlung alter Rechnungen usw.). Stelle, soweit möglich mal alle Schulden auf und was amortisiert (?) Wurde. Schreibe mir bitte sofort die Anschrift der Rechtsanwälte, damit sie keine Zeit verlieren, wenn ich komme, denn es muß alles schnell gehen. Hoffentlich bin ich nicht zu müde.

Meine zurückkehrenden Energien haben auch meine alte Zärtlichkeit für Dich wieder entfacht. Ach Lotti, sie war ja wie weg, aber von Kampf, abgespannt halt, Verzweiflung verschüttet. Wenn da mal irgendetwas falsch und scharf geklungen hat, dann nimm es bitte nicht übel, verstehe es aus den widrigen Umständen und vergiss es schnell. Wann wird denn dieser schreckliche Zustand aufhören?!?

Der Kriegsschauplatz in Westafrika, den ich Dir schon vor langer Zeit prophezeit habe, ist ja nun auch da. Wie ich schon gesagt habe, es wird sehr heiß hergehen in diesem Winter und im nächsten Frühjahr wird der kritische Punkt kommen. Die Führerrede von gestern war rethorisch die schwächste, imponierte aber doch durch ihre Ruhe und Gelassenheit. Wie benimmt sich der Tommy jetzt bei euch.

Wir haben hier fast nie Alarm und das ist ein Segen, denn wie sollten wir die Arbeit aushalten, wenn wir nachts keine Ruhe hätten!

Hoffentlich geht alles nach Wunsch!

1000 liebe liebe Grüße und Küsse
Dein Harald