Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 31. März 1944

31.3.44

Mein liebes Lottenkind,

anliegend schicke ich Dir einen Artikel eines Kriegsberichterstatters, der den Kampf unserer Jäger einigermaßen gut beschreibt. Ich bekam heute Deinen langen lieben Brief vom 26. mit der schönen Nachricht, daß die Kiste da ist. Schreib mir doch bitte mal, was alles drin war. Ich weiß nicht genau, was Carels dazugetan haben und muß es wissen wegen der Abrechnung. Hoffentlich habt Ihr Euch recht gefreut.

Am Dienstag war ich also beim Spezialisten wegen meiner Senkfüße. Sie tuen nun absolut nicht weh, aber ich habe es behauptet, und jeder Arzt glaubt es mir. Ich sollte nur mal einen Tag aus der Tretmühle raus.Wilhelm reist auf unsere (unleserlich) . Wir haben nach Erledigung unserer Kommissionen im Ratskeller gegessen und haben dort die Bekanntschaft einer alten Generalin gemacht, die zu ihrer Schwiegertochter nach Godesberg wollte und glücklich war 1. ein paar so nette junge Herrn zu treffen (wir haben ihr richtig nach alter Sitte den Hof gemacht, was ihr gar lieblich einging) 2. jemanden zu haben, der über Godesberger Verhältnisse Bescheid weiß. Sie heißt Stuckenschmitt, und ihr Sohn wohnt Kurfürstenstraße Nr. 4. Gegessen haben wir Kabeljau und türkischen Wein dazu getrunken, das Glas 2,50 Mk. Es ist eine Schande. Ich hatte vom Preis keine Ahnung und habe ihn arglos bestellt und ihn dann der Wissenschaft halber getrunken. Er schmeckt wie Pfalzwein.

[...] nachmittags sind wir dann im Theater gewesen und haben durch eine Programmänderung Medea von Grillparzer gesehen. Es ließ mich ziemlich kalt. Die Themen sind gegenstandslos geworden, und nur, was gedanklich und sprachlich ganz groß ist, ist noch zu genießen. Wir bekamen noch 2 ganz vorzüglich Plätze, aber sie kosteten 4,50 das Stück. Zu Abend gegessen haben wir in der Glocke. Ich habe Knipp gegessen und bin auf der Suchen nach dem Rezept. Es ist ein zum größten Teil aus Gerste hergestellter Brei, der sehr pikant gewürzt zu Kartoffeln vorzüglich schmeckt. Bei uns auf dem Horst hat es da auch schon mal gegeben. Ich will nun den Koch hier um das Rezept angehen. Wenn der Tag auch recht teuer war, so war er doch eine wohltuende Abwechslung. In Rotenburg hatte ich dann gleich wieder meinen Ärger, einen Riesenkrach mit dem Adjutanten. Ich ginge wirklich recht gerne von diesem Geschwader weg, werde aber nicht fortgelassen. Ich muß jetzt mit allem Mitteln auf einen Urlaub hinarbeiten und bitte Dich deshalb, mir nochmals zu schreiben, schweres Geschütz. Wenn der Arzt einen kleinen Schrieb hergeben kann, dann ist es vorzüglich. Es muß aber schnell gehen, denn ich glaube, die Urlaubssperre steht vor der Tür, und wer weiß, wie lange die dauert. Schreibe ruhig, daß Du für meine Gründe, nicht kommen zu können, kein Verständnis mehr hättest, da meine Anwesenheit zu Hause so dringend notwendig wäre.

Ich habe mir jetzt den Frühling, der draußen trotz gelegentlichen Sonnenscheins noch nicht kommen will, da es vor allem nachts noch Stein und Bein friert, mit Gewalt ins Zimmer geholt in Gestalt von Forsythienzweigen, die nun herrlich auf meinem Fensterbrett in unserer blauen Vase blühen.

Ich schicke Dir hiermit wieder einen ganzen Schwung Deiner Briefe zurück, die ich hier nicht mehr lassen kann, obwohl ich sie von Zeit zu Zeit immer gerne nochmal lese. Da besteht eher die Gefahr, daß andere sie auch lesen.

Wie das mit dem Geld für Mutters Krankenhausaufenthalt werden soll, weiß ich auch noch nicht. Das wäre wirklich notwendig, daß alles mal an Ort und Stelle durchgesprochen wird.

Ich fange an, schrecklich müde zu werden und kann infolgedessen nicht mehr denken. Schreibe schnell den erbetenen Brief mit einem Attest des Doktors, wenn möglich. Grüße Mutter, die Kinder und Lisbeth recht herzlich.

1000 liebe Küsse  
Dein Harald

Hast Du etwas von Banthiens gehört?   Danke auch Du bitte Carels für ihre Freundlichkeit beim Besorgen der Vase und dem Versand der Kiste. Das beigelegte Tüchlein gehörte zu Schultzens Weihnachtsgeschenk.