Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 3. Juni 1944

den 3. Juni 1944

Mein liebes, herziges Lottenkind,

ich habe mit einem Kameraden den „Schreiber vom Dienst“ getauscht, um Dir in Ruhe einen Geburtstagsbrief schreiben zu können, aber der Teufel ist los. Wäre noch alles dienstlich, dann wollte ich garnicht meutern, aber es ist Privatkram, mit dem mann(!) mich durch die Gegend hetzt. Als die Herren nach dem Bombenangriff gesehen hatten,wie gut unsere Stellung liegt, sind sie in hellen Scharen hier heraufgezogen und nun geht es los. Holen Sie mir mal ein Weinglas, besorgen Sie mir sofort 2 Schnapsgläser usw. Darüber soll ein Mensch sich nun nicht giften. Das ist kein günstiger Boden für einen Geburtstagsbrief. Ich muß mir daher den Ärger erst einmal vom Herzen schreiben. So, das wäre geschafft. An Deinem Geburtstag möchte ich Dich so gern in den Arm nehmen, Dich mit Küssen überschütten und Dir sagen, wie unendlich lieb ich Dich habe. Ich tue auch alles, wenn auch in der Ferne, aber spüren wirst Du es doch. Heute kam Dein lieber Brief vom 30.5. Du hast offenbar gespürt, daß ich in Gefahr war. Ich habe auch so intensiv an Dich und die Kinder gedacht, daß die Wellen bis zu Euch gedrungen sind. Es ist eigentümlich, wie man in solchen Fällen Entfernungen überbrücken kann. Ich hatte Euch ganz nahe zu mir rangeholt und Euch in wilder Liebe fest umschlungen.

Das ganze Spiel hat ja nur eine Viertelstunde gedauert, aber das ist in solchen Situationen eine lange, sehr lange Zeit. Ich habe mal wieder ganz deutlich gespürt, wie sehr ich zu Euch und Ihr zu mir gehört. Nicht als ob ich es nicht gewußt hätte, aber so stark empfindet man nicht immer. Das ist auch garnicht möglich, sonst würde man in kurzer Zeit innerlich verbrannt sein. Ich habe also am 30. sozusagen noch mal Geburtstag gefeiert. Hier sieht es heiter aus. Wir können uns nur mir Tropfen Wasser waschen und sehen entsprechend dreckig aus. Unsere Stabshelferinnen sind heute in einem Dorf in der Umgegend untergebracht worden, da auch ihre Unterkunft zerstört und ausgebrannt ist.

Auch wir werden wahrscheinlich anderweitig untergebracht, denn unsere Wohnungen sind etwas luftig geworden. Ley hat zwar jedem Deutschen eine luftige Wohnung versprochen, aber was zu viel ist, ist zu viel.

Ich schicke Dir beiliegend eine Reihe von Briefen, die Dich interessieren werden. Ganz gerührt war ich von dem Brief von Carels. Ist das nicht reizend! Die 15 Eier von Griepenkerls sind noch der Gegenwert für Schnaps, den ich damals gebracht hatte, daß aber Carels 35 Stück zulegen ist doch wirklich mehr als nett. Ich habe gleich geschrieben, tue Du es bitte auch.

Wie mögt Ihr nun den Tag begehen? Hoffentlich bringen nicht gleich die Sirenen ein Morgenständchen. Die Liebe der Kinder wird Dir sicher den Tag trotz meiner Abwesenheit schön machen. Wo ist die Zeit, wo ich meinem Lött mit aller Liebe den Geburtstagstisch bereiten konnte. Wo sind die Pfingstrosen und die roten Rosen! Ach es ist ein Jammer, aber wir haben uns noch und haben noch ein Dach über dem Kopf und haben noch vieles, wonach sich andere Tag und Nacht sehnen. Wir dürfen nicht klagen, wenn wir oft auch traurig sind. Nun bleib mir im kommenden Lebensjahr gesund und verliere nicht den Mut. Ich bin mit mit meinen lieben Gedanken bei Dir. In immerneuer Liebe grüßt Dich zum Geburtstag und gibt Dir 1000 liebe, liebe Küsse

Dein Mann

Schicke bitte Carels gleich die 9,- Mk.