Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 11. Oktober 1944

11.10.44

Mein liebes Lottenkind,

gestern und heute habe ich mich mit Büro und Wohnung eingerichtet und obwohl Baracke – erheblich gemütlicher als in Finsterwalde. Hoffentlich bleibt es nun so. Das ewige Ausgehenmüssen ist auch nicht ideal und bringt einen finanziell auf den Hund. In den ersten Tagen hier bin ich allerdings doch darauf angewiesen, denn wir sind bis zum Eintreffen des

Haupttrupps Selbstverpfleger und müssen im Hotel essen. Der großen Anzahl von Gasthäusern nach muß hier im Frieden allerlei los gewesen sein. Der Ort soweit er nicht leider aus neuen Siedlungshäusern besteht ist typisch niedersächsisch. Große Giebelhäuser stehen ohne zusammengebaut zu sein dicht an dicht mit ihren großen Sinnspruchgeschmückten Toreinfahrten. In wenigen Minuten sind wir am weiten, stillen See. Er genießt mit seiner großen Ruhe, die auch ein einsames Segelboot nicht stören kann, meine stille Liebe. Hier läßt sich herrlich nachdenken und träumen. Ganz in der Ferne im Westen blaut ein langgestreckter Höhenzug herüber. Es riecht in einem großen Hafen nach Meer und Fischen und ganz leise gluckst das Wasser zwischen den Steinen am Ufer. Abends legt sich ein Dunst über das Wasser und entrückt das das jenseitige Ufer; dann ist die Illusion des Meeres vollständig. Oh hätte ich Dich hier.

1000 liebe, liebe Küsse
Dein Mann