Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 20. Oktober 1944

20. 10.44

Mein liebes Lottenkind,

ich habe den gestrigen Wehrmachtbericht nicht gehört, weil wir kein Radio mehr haben und nun erzählte mir Wilhelm, daß von einem Terrorangriff auf Bonn die Rede gewesen sei. Hoffentlich hat Godesberg dabei nichts mitbekommen. Mit der Lazarettstadt scheint es also doch nichts zu sein. Hoffentlich sind keine Bekannten betroffen worden (Fritz Palm, Bußmanns usw.) Ich habe im Augenblick gar keine Zeit. Die Maschine läuft auf hohen Touren, aber bitte nicht für den Einsatz, sondern für allerhand Kinkerlitzchen. Wir machen jetzt schon 4 Tage Revierreinigen. Abends 2 Stunden und morgens eine Stunde. Z diesem Zweck stehen wir u 5 Uhr auf. Es wird mit Geschick in den sauberen Buden immer noch etwas Schmutz gefunden. Dabei gibt es weder vernünftige Besen noch überhaupt Schrubber und Aufnehmer. Gestern hatte ich U.v.D., heute S.v.D. Und wer weiß, was ich morgen für ein ...v.D. bin. Mir kam gestern doch die kalte Wut als ich, nachdem Himmler Kinder und Greise zur letzten Landesverteidigung aufgerufen hatte, heute junge Soldaten und Unteroffiziere stundenlang damit beschäftigt sah, mit Rasierklingen die Stühle und Schemel abzuschaben, damit sie wie neu aussehen. Ist das nun Sabotage oder nicht? Schreibe doch bitte einen Brief, den ich hier vorlegen kann,, daß man mich 2 Tage zu Euch läßt. Ich glaube nicht, daß wir Zeit zu verlieren haben.

1000 liebe Küsse
Dein Mann