Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 18. Dezember 1944

18.12.44

Mein liebes Lottenfrauchen,

eben erfahre ich, daß aus der Nachbarschaft ein Mädel nach Köln fährt; da will ich diesen Brief mitgeben in der Hoffnung, daß er Dich schnell erreicht. Ich erzähle meine Erlebnis noch einmal, da ich vermute, daß meine anderen Briefe Dich erst 1945 erreichen werden. Wir haben also am 10.12. von St. verlegt und sind in die Nähe unseres Stromes allerdings viel weiter südlich gekommen. Wir liegen in der Nähe einer Gauhauptstadt deren Name an ein Verdauungsorgan erinnert, der Ort heißt: 1.) Anderes Wort für ½ Kilo, davon letzten Buchstaben streichen und durch den 1. Buchstaben des Vornamens meines Vaters ersetzen. 2) daran anhängen das deutsche Wort für „town“ Wir liegen hier in Privatquartieren. Ich habe ein kleines sauberes Dachstübchen mit einem recht brauchbaren Bett. Die Leute sind reizend und äußerst gastfrei. Ich finde jedem Abend in meinem Bett einen warmen Stein und jeden morgen einen gedeckten Kaffeetisch, heißes Rasierwasser und Butter, obwohl wir seit Beginn der Offensive um 6 Uhr Dienstbeginn haben. Wir sind also bestens aufgehoben. Auf unserer Reise

hierher,die 3 ½ Tage dauerte und auf der ich verbotenerweise in Frielendorf vorbeigefahren bin zur größten Freude von Helga und Ursel. Um Ursel brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Sie ist munter und vergnügt und von Lenchen in die Schule geschickt worden. Helga gestand mir leise, daß sie sich langweile und mit Sybillchen nicht recht zurechtkäme; mit Tante Lenchen und Tante Lina verstünde sie sich gut. Lenchen versicherte mir, daß die Kinder lieb seien und daß sie gut mit ihnen fertig würde. Ich hatte an sich gehofft, daß Du schon mal in Frielendorf gewesen wärest. Unser Feldpostamt ist bei gleicher Nummer entgegen früheren Mitteilungen Wiesbaden. Hoffentlich bekomme ich durch die Verlegung trotzdem Weihnachtspost von Dir. Hoffentlich bleiben wir einige Zeit hier, dann könnte ich Weihnachten wenigstens bei meinen Wirtsleuten feiern, die Edelmann heißen und Sandstr. 5 wohnen. Schreibe doch einmal einen Einschreibebrief an diese Anschrift. Meine Kameraden sagen , daß E.-Briefe viel schneller liefen. Briefe von hier zu Euch werden wohl recht lange dauern, weil sie vom frontnahen Gebiet ins frontnahe Gebiet müssen. Mit 4 Wochen rechne ich. Einen Weihnachtsbrief habe ich Dir schon von St. aus geschrieben, hoffentlich bekommst Du ihn einigermaßen pünktlich.

[Keine Unterschrift]