Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 28. Januar 1945

28.1.45

Mein liebes Lottenkind,

Auf meinem Weg zur neuen Fa(??)it bin ich in Bitterfeld angekommen, wo ich eben 2 Keller heiße Wehrmachtssuppe gegessen habe. Gestern bin ich in Frielendorf vorbeigefahren, wo unser aller Freude über ein wenn auch kurzes Wiedersehen groß war. Beide Kinder sehen prächtig aus. Helga ist richtig dick geworden. Zu meinem großen Schrecken fand ich in Frielendorf auch keinerlei Nachricht von Dir. Ich hatte mich immer damit ge tröstet, dass durch unsere Verlegung meine neue Anschrift zu spät in Deine Hände gekommen wäre und ich daher ohne Post wäre. Ich nahm fest an in Frielendorf jüngere Nachricht von Dir zu finden ich weiß nun garnicht mehr, was ich davon halten soll und bitte Dich dringend so schnell wie möglich auf allen nur erdenklichen wegen Post an mich in Marsch zu setzen. Ich bin nun sehr unruhig. Ich hatte gestern 1 ½ Stunden Aufenthalt in Marburg und habe trotz schwerem Affen (=Rucksack) einen Spaziergang durch das liebe alte Nest gemacht. Wer weiß, ob man das noch mal kann. Mein 1. wich war zum Europäischen Hof, wo ich zu unseren Fenstern empor gesehen habe, dann bin ich an der Elisabethkirche vorher den Steinweg hinauf und über die Wettergasse zum Markt. Ich wollte Heinrich Schneider die Hand drücken, fand sein Büro aber geschlossen mit einem Schild, dass neue Vertretungen nicht angenommen werden und die alten Biegenstr. 28 abgewickelt werden. Ich muss daraus schließen, daß muss daraus schließen, daß er seinen Beruf aus

Gesundheitsgründen hatte aufgeben müssen. Er ist ja nun auch schon hoch in den 70gern. Meine Gefühle bei diesem Spaziergang waren ganz eigentümliche. Es war Dankbarkeit gegen eine schöne Vergangenheit wozu auch in erster Linie die schönen Tagen vor nun bald 1 ½ Jahren zählen, und ein Abschließen mit dieser Art zu leben für die Zukunft, denn sie wird hart und grausam sein. Bittersüße Gefühle. 1000 liebe, liebe Grüße und Küsse an Dich und die Kinder
Dein Mann