Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 3. Februar 1945

3.2.45

Mein liebes, süßes Lottenkind,

Gott sei Dank, ich habe endlich Post von Dir bekommen und zwar vom 31. 12. Du glaubst garnicht, wie ich mich freue. Nun weiß ich wenigstens, dass es Euch vor einem Monat noch annäherend gut ging. Ich hoffe nun, dass Du inzwischen auch Post von mir bekommen hast und dass sie Dir eine ähnlich große Freude bereitet hat, wie mir Dein Brief

5.2.45 Leider wurde der Brief wieder für 2 Tage unterbrochen und heute nennt der Wehrmachtbericht Godesberg und bürdet mir kaum dass ich die alte Sorge so einigermaßen los war eine neue fürchterliche auf, denn ich kann kaum hoffen, dass Ihr und unser Haus verschont worden sind, den Godesberg ist ja nicht groß. Du bist nun, da Du ja garnicht weißt, wo ich bin auch garnicht mal in der Lage mir schnell Bericht zu geben. Meine Feldpostnummer hat sich nicht geändert nur das Luftgaupostamt, das jetzt Berlin ist. Wir liegen östlich dieser Stadt, an die die Front ganz nahe herangerückt ist in einem Dorf, der den ersten Teil seines Namens mit einem südafrikanischen Vogel, der den Kopf in den Sand steckt gemein hat und den 2. Teil mit einer Installationsfirma in Godesberg in der Poststraße (=Strausberg). Ich sehe hier täglich die Flüchtlingstrecks aus dem Osten und weiß nicht, ob Euch nicht ein gleiches Elend beschieden ist. Viele der Flüchtlinge sind vorgestern in den furchtbaren Terrorangriff auf Berlin hineingeraten. Es hat so gebrannt, dass wir bereits Mittags um 3 Uhr das Licht einstecken mussten, weil der Himmel schwarz vom Qualm war, sodass es in unseren Zimmern dunkel war. Unsere Stellung hier hat einen vorzüglichen Luftschutzstollen, der viele Meter unter der Erde liegt und nach menschlicher Voraussicht bombensicher sein muss. Um mich brauchst Du Dir also keine Sorgen zu machen. Ich weiß nur nicht, wie ich die Ungewissheit über Euer Schicksal lange ertragen soll. Es geht so langsam alles vor die Hunde. Wie ich von einem Dortmunder hörte sind auch in Neuasseln viele Bomben gefallen. Auch die Schule, in der wir gelegen haben, sei zerstört. Wie schnell die Zeiten sich ändern. Wir haben vor einem halben Jahr in Dortmund noch eine Oper gesehen und in unserem kleinen Zimmerchen glückliche Stunden verlebt. Nun stehen wahrscheinlich weder der Opernsaal noch unser kleines Haus in Neuasseln noch und wir hören nur in großen Abständen beinahe wie zufällig etwas voneinander. Es ist ein scheußlicher Zustand und genügt allein schon, den Krieg zu hassen. Wir sind hier jetzt bereits das 3. Mal umgezogen und haben endlich einigermaßen anständige Räume mit Heizung und angängige Betten. Die Verpflegung ist allerdings viel dürftiger als in Pfungstadt. Es fehlt das zusätzliche Abendbrot meiner lieben Wirtsleute. Schreibe bitte recht, recht bald und ausführlich. 1000 liebe Küsse
Dein Harald.