Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 29. September 1944

29.9.44

Mein liebes Lottenkind,

einliegend schicke ich Dir Lenchens Brief. Ich habe mir fast die ganze Nacht den Inhalt der gestern von Dir erhaltenen Briefe durch den Kopf gehen lassen. Sicher ist, daß der Tommy in aller Kürze versuchen wird, von Holland aus nördlich am Industriegebiet vorbeizustoßen. Ob sie ihn aufhalten können, wenn er genug Menschen und Material zusammengezogen hat? Ich denke mir nun, daß es doch besser wäre, wenn Du die beiden Kleinsten nach Fr.(ielendorf) brächtest oder durch Lisbeth bringen ließest. (Strecke Siegburg, Betzdorf, Dillenburg, Wetzöar, Gießen, Treysa). Es könnte dann gleich ein Koffer voll Sachen mitgehen. Mit den größeren Kindern wäret Ihr doch beweglicher und Du wärest einen großen Teil der Verantwortung los. Überlege es Dir und schreibe Lenchen gleich. Ich finde es sehr lieb von Lenchen, daß sie Kinder nehmen will. Was hälst (!) Du von dem Plan? Übrigens sind alle Deine Briefe in Godesberg abgestempelt

obwohl Du mir schreibst, daß Du einen Brief jemandem mit nach Bremen (?) gegeben hast. Der Ort, an den wir verlegen hat als zweiten Buchstaben ein „ü“.   Ich schreibe Dir in jeden Brief etwas von dem Ort, damit keiner daraus schlau wird außer Dir. Schreib doch mal, ob meine Briefe ankommen und wie lange sie brauchen. Fahren eigentlich noch die Züge auf beiden Rheinseiten, fahren die Elektrischen nach Bonn, Köln und Siegburg noch. Fährt der Omnibus von Dollendorf nach Oberpleis noch? Vergiß bitte nicht, mir diese Fragen zu beantworten. (Besonders die letzte Botschaft hat Lotti entschlüsselt, wie ihre Antwort zeigt.)

Die Bevölkerung wird sich wohl etwas beruhigt haben, ob die Front stabil bleibt, hängt ganz von dem Erfolg der Feinde in den nächsten Wochen am Niederrhein ab. In der Eifel und weiter im Süden wird es wohl halten.

Hjalmars (von Schwartze) Brief vom 24.9. (Feldpost lief nur 4 Tage) lege ich auch bei, ebenso einen Brief von Heinz Becker.

1000 liebe Küsse
Dein Harald