Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 28. Juni 1943

11

Köln, 28.6.43.

Mein lieber Peps!

Nun bin ich also 20 Jahre alt. Sang und klanglos verlief auch dieser Tag, wie alle anderen auch, wenn mich nicht Dein lieber lieber Brief daran erinnerte, hätte ich kaum daran gedacht, daß heute mein Geburtstag ist. Mutter hat mir für heute abend einen schönen Kirschpudding gemacht, den wir mit Hochgenuss (Adele, Fritz und ich) heute abend verkimmelt haben. 20 Jahre! Wer hätte gedacht, daß ich diesen Tag einmal im Krieg feiern würde? Waren wir doch gerade 16 alt als er ausbrach. Ja, ja die Zeit vergeht, man wird allmählich alt. In normaler Zeit müßte ein junges Mädchen jetzt anfangen ordentlich für die Aussteuer zu sorgen. Doch wir armen Geschöpfe? Was das mal werden soll, möcht ich mal gerne wissen. Na, man muß es eben drauf ankommen lassen.

Liebling, Du sollst mir keine Schuhe kaufen. Das hat doch garkeinen Zweck, das viele Geld dafür auszugeben. Hörst Du, Du kriegst Haue - haue. Du Lümmel! Wie froh war ich, daß ich heute abend Deinen Geburtstagsbrief vorfand. Ich hatte schon den ganzen Tag Angst deswegen gehabt. O, es wäre schrecklich gewesen. Aber so war direkt alles gut und die vielen vielen Lichterchen. Erst hatte ich mich verzählt. Ich meinte, Du hättest nur 19 aufgesetzt.

Aber dann hab’ ich nochmal gezählt und da hat

es gestimmt. Dein Glück! Jetzt bist Du das nächste Geburtstagskind!

Fritz hat nochmal verlängerten Urlaub, bis Donnerstag jetzt einschließlich. Er meint, Du müßtest den Grund schon finden. Man fände doch immer einen. Er würde doch die Verhältnisse dahinten garnicht kennen. Also, Liebster überleg’ mal. Ich habe mir schon fast den Kopf zerbrochen und Deine Eltern mit. Es wäre ja so wunder - wunderschön! -

Deine Eltern haben sich am Sonntag gegenseitig nach Deinem Bild gefragt. Ich habe mich ganz mucksmäus’chen still verhalten. Du mußt mich nun aber auch nicht verraten. Kannst ja sagen, Du hättest es mitgenommen und einem Kameraden geschenkt. Übrigens, hattest Du Deinen Eltern auch davon geschrieben, daß Du Schuhe für RM 60.- und Handschuhe für RM 32.- bekommen kannst? Sonst haben sie nämlich den betreffenden Brief doch geöffnet; weil sie auch davon wußten. Mir kam das ein bis’chen merkwürdig vor. Du mußt mir das unbedingt beantworten! Ja!

Und nun, mein allerliebster Peps, werde ich ins Bett gehen und ins 21. Lebensjahr hineinschlafen. Ich denk’ so viel an Dich und hab’ Dich so sehr lieb!

Gute Nacht und einen lieben Geburtstagskuß

Deine Annelie.