Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 4. Juli 1943

16

Sonntag, 4.7.43.

Mein lieber Peps!

Nun ist heute schon Sonntag und immer ist noch keine Post von Dir da! Es ist ja auch kein Wunder, wo jetzt in Deutz - Kalk u. Mülheim auch alles zerstört ist. Sicher hast Du im Wehrmachtsbericht wieder von dem neuen Angriff auf Köln gehört. Es ist furchtbar. Auch diesmal blieb unsere Ecke ziemlich verschont. Aber wenn das so weiter geht, kommen wir ja auch noch dran. Wir stellen uns jetzt für jede Nacht den Wecker für 12 Uhr. Dann stehen wir auf und gehen sofort in den Keller in der Mastrichterstraße. Man kann garnicht mehr bis zum Alarm warten, dann solltest Du mal den Zustrom zum Keller sehen. Das geht denn garnicht schnell genug die Treppe herunter. Das könnte mal das größte Unglück geben, wenn es gleich anfinge zu schießen und Platz kriegt man dann auch keinen mehr. Es ist schon beruhigender so.

Wir kommen gerade von Weiden. Der Schulfreund meines Vaters hat dort einen großen Garten. Ich habe mich ordentlich satt an Kirschen gegessen. Es ist doch herrlich so eine schöne Wohnung im Grünen mit Garten. Ich möchte später auch mal so wohnen. Die Leute brauchen garnicht heraus zu gehen. Ach Peps, ich hab’ Dich ja so lieb und denke so oft an unsere Zukunft, obwohl die Aussichten momentan so sehr schwarz sind.

Liebster Peps, gestern habe ich Dir einen Brief geschrieben, ich glaube, ich hab’ mich da ein wenig undeutlich ausgedrückt wegen des Telegrammes. Ich hab’ mal darüber nachgedacht was ich da geschrieben habe und da fiel mir ein, daß Du das vielleicht falsch auffassen könntest.

Es sollte nicht heißen, als ob Deine Eltern zu wenig wegen des Telegrames unternommen hätten. Und mit dem abergläubisch meinte ich: Eben weil nicht viel passiert ist und wir Dich doch hierhin wünschen, meinen sie, es könnte ja noch schlimmer kommen. Du weißt ja wie es gemeint war.

Deine Eltern sind bestimmt eben so glücklich wenn Du kommst wie ich. Die haben Dich doch auch so gern. D. heißt, ich wäre bestimmt noch glücklicher und lieber habe ich Dich auch. Wie lieb ich Dich habe, ich glaub’, das kann überhaupt keiner ermessen, mein lieber, lieber Peps!

Fritz muß morgen auch wieder weg.

Nun, mein lieber Peps, will ich schließen.

Es ist schon 10 Uhr durch und ein bißchen muß ich ja noch schlafen.

Gute Nacht! Deine Annelie.