Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 3. August 1943

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Wittlich, 3.8.1943

Mein allerliebster Peps!

Heute will ich Dir einen ausführlichen unseres Einzuges in Wittlich geben. Also, wir sind schon am Sonntagabend hierher gefahren, haben dann hier mal zuerst unsere Habseligkeiten ausgepackt und unser Kämmerlein mit dem besten Willen so nett wie eben möglich gemacht.

Da hab’ ich mal zuerst 6 grellbunte Heiligen- und Kommunionbilder abgehängt! 4 hängen jetzt noch. Auf eine kleine Kommode habe ich Deine lieben Utensilien draufgestellt. Sei mir nicht bös, aber Dein Hottehü hatte mittlerweile auch ein zweites Bein verloren. Hab’ aber alles wieder schön angeleimt. Diese Kommode ist nun mein Altar, die mich immer an den Liebsten erinnert. Dann steht noch hier ein hohes Pult von anno dazumal, ein ziemlich wacklicher Tisch, ein Kinderwagen, schließlich ein Bett und ein Nachtskonsölchen, wenn ich im Bett liege, verläuft die Wand über mir etwa so.

[Zeichnung]

Wenn ich mich nun erhebe, peng - - hängt mein Kopf

an der Decke (Mensch, war das ein verdammtes Papier, entschuldige bitte, ich trage keine Schuld, aber um noch mal anzufangen ist es zu spät (10 Uhr durch). So wohnen wir also, primitiv, aber besser als der beste Soldat draußen. Wir werden uns aber so schnell wie möglich ein neues Zimmer suchen. Weißt Du, ich mein’ dauernd, die Decke fiel mir auf den Kopf, wo wir doch die breiten Räume gewohnt sind, wenn ich mal fest Luft holen würde, würden bestimmt die Wände nach innen stürzen. Die Leute sind ja sehr nett, daß muss man wirklich sagen.

Und nun zum Dienst. Ich muß schon sagen, ich habe es mir wesentlich schlimmer vorgestellt. Von wegen Kommiß keine Spur! Gott sei Dank bin ich nicht zur Gebührnisstelle gekommen, sondern zur Standortkasse. Auf ersteren Stelle arbeiten nämlich 20 - 30 Personen in einem Raum unter einem wenig netten Zahlmeister. Ich bin nun in einem sehr netten Raum mit einer Dame und einem Herrn zusammen.

Frau Maaßen die Gattin eines Oberleutnants ist eine sehr nette, einfache Frau. Ihr Mann war vor dem Kriege erster Staatsanwalt in Trier, also Dr. Maaßen. Über dieses spricht sie selbst aber überhaupt nicht, sondern ich weiß es von dem anderen Angestellten, Herrn Maus. Unser Abteilungschef ist Oberzahlmeister Gebhard d. u. (dauernd unterwegs!) Ich muß die Kü[= oder u]chenbücher und das Kassenbuch führen. (Buchführung, meine Spezialität.) Dann gehen von unserer Stelle aus die Wehrmachtsbesoldungen an die

Soldatenfrauen am letzten des M., Renten u.s.w. Das wäre also meine Arbeit; lange nicht so kompliziert wie auf der Sparkasse; ich glaube, in ein paar Tagen sitze ich feste drin. Ich habe allerdings auch den Eindruck, daß sich auf der Standortstelle Wittlich keiner verarbeitet. Ich werde mich anschließen! Gezeigt bekommt man zwar auch nicht viel, so werde ich eben raten. Der Dienst dauert v. 7 - 5, 1 Std. Mittag, Mittwochs um 3 Uhr Sport od. Schwimmen. Bruttogehalt RM 170,-, Netto weiß ich noch nicht. Adele ist in der Buchungsabteilung mit einem Herrn zusammen, Brutto RM 102,- + RM 35,- Wohnungsgeld. Ich kriege nur 10,- Wohnungsgeld (einschl. RM 170,-) weil das Bruttogeh. Gruppe VIII 20 Jahre nicht RM 170,- übersteigen darf. Schade, nicht? Wir können aber auskommen. -

Mutter hat uns heute abend schon besucht. - Stell’ Dir mal vor, Deine Eltern sind noch immer nicht gekommen. Ich kann das nicht verstehen, Du vielleicht? Das Telegramm war doch deutlich genug, ja? Mir ist es wirklich unbegreiflich! Ob das Telegramm nicht angekommen ist. Und das Zimmer ist bestellt und will bezahlt werden und dabei habe ich Sonntag noch das Pallaver gemacht in Moselgold. Mir ist das so peinlich. Kannst Dir denken, ich bin das mal wieder alles Schuld und dabei hab’ ich’s so gut gemeint. Morgen fahren meine Eltern nach Köln. Ich bin ja mal gespannt, was das für ein Grund ist, telefonieren kann man auch noch nicht. Vielleicht weiß ich morgen mehr.

Für heute gute Nacht, mein Lieber,

Deine Annelie.