Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 29. September 1943

Frankenforst, 29.9.43

Mein liebster Adi!

Nun habe ich schon fast seit einer Woche keine Post mehr von Dir. Es geht Dir doch hoffentlich noch gut?! Ach, mein lieber Peps, Du bist doch mein einziger Gedanke. Ob in der Straßenbahn, im Geschäft, gleich wo, immer und überall denke ich an Dich. Du bist doch meine einzige Hoffnung, so ist das Leben ja so wertlos. Daß das Leben eines einfachen Menschen gleich Null bedeutet, dafür bot sich mir eben wieder das beste Beispiel. Wir wohnen doch hier im Waldhotel der Kreissparkasse, eigentlich Erholungsheim

für die Sparkassenangestellten.

Ein wirklich dolles Hotel mit allem Komford, Übernachtungspreis in den besten Zimmern 16 - 18 RM, ein Essen 3 - 4 RM. Also feudal und erstklassig! In Wirklichkeit hat die Sparkasse das Hotel angekauft um 1. die Goldene Fahne zu erlangen 2. um Geld anzulegen. Wer von den Angestellten kann sich solchen Luxus erlauben?? Wenn Du eine Ahnung hättest, welchen Kampf es mich gekostet hat, dieses Zimmer zu bekommen! Zuerst lozte man uns in drei Briefen, mit dem festen Versprechen für Unterkunft im Frankenforst-Hotel hierhin. Der Betrieb gab uns nicht frei, das Arbeitsamt gab uns nicht

frei! Als wir dann am 4. statt am 1.9. in Köln landeten, hieß es plötzlich im Frankenforst sei kein Zimmer mehr frei. Man hätte uns wie versprochen zum 1. ein Doppelzimmer freigehalten, jetzt könnten wir Unterkunft in einem H.J. Heim in Mülheim finden.

Ich war außer mir! Jetzt ja gerade nicht. Ich zur Direktion samt Schwesterlein! Du, was ich da erzählt habe. Adele sagte nachher, sie hätte mit dem größten Donnerwetter gerechnet. 1. Hatte ich der Direktion schriftlich Mitteilung gemacht, daß ich ein paar Tage später als zum 1. käme, die H.St.O. Verwaltung wollte nämlich auch erst den Bescheid des

Arbeitsamtes abwarten. 2. Wohnen einige Herrschaften der Direktion mit Ihren Frauen hier, obwohl sie in Köln und Umgebung noch die herrlichsten Wohnungen besitzen. Na, Du kannsst Dir ja denken, daß meine Stimmung immer mehr auf „Heil“ steht. Aber dann muß ich an das schöne Liedchen denken, daß Du so goldig auf dem Ürziger Bahnhof gesungen hast: Warte, warte noch ein Weilchen...!

Aber nun wohnen wir ja doch hier, sogar sehr nett und warm, vor allem sicher und richtig ohne Alarm! Ich hab’ das nur mal alles so nebenbei erwähnt, um zu beweisen, wie man es mit kleinen Leuten macht.

[Ende fehlt]