Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 3. Oktober 1943

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Köln, 3.10.43.

Mein lieber Adi!

Sonntag ist heute! Wie magst Du den heutigen Tag verbringen? Wir haben Besuch, Mutter ist da! Sie will aber morgen früh schon wieder weg und trifft sich mit Vater in Koblenz. Er war bis jetzt in Sieg. Stell’ Dir mal vor, man will uns in Koblenz unsere eigene Wohnung (in einem eigenen väterlichen Haus), nicht geben. Noch nicht mal in die eigene Wohnung kann man mehr hereinziehen. Koblenz duldet keinen Zuzug. Vater wird aber dagegen angehen, er wird auch sicherlich was erreichen. Wie geht es Dir denn sonst noch? Deine letzte Post war vom 14. September, das sind nun schon drei Wochen her.

Hoffentlich ist Dir noch nichts passiert! Wir machen uns solche Sorgen. Das kannst Du Dir garnicht vorstellen. Wir wissen ja garnicht, was mit Dir los ist. Vielleicht lebst Du schon garnicht mehr. O, es ist furchtbar diese Ungewissheit. Wenn man doch alle zwei Tage Post bekäme. Aber wenn die Post hier ankommt, sind meistens schon wieder vierzehn Tage vergangen und in dieser Zeit kann

schon wieder soviel passiert sein. - Jetzt bist Du schon 1 ½ Monat weg. Nochmal so lange und Du bist hoffentlich wieder hier. Wie glücklich wäre ich, wenn wir schon zwei Monate weiter wären. Aber auch diese Zeit vergeht, wenn man im Moment auch das Gefühl hat, als ob sie niemals herum gingen. Hoffentlich verlängert man die Frontbewährung nicht und läßt Dich wirklich nach drei Monaten wieder weg. Momentan ist dies meine größte Sorge, alles andere ist ja so Nebensache. Bestimmt, dieser Gedanke hilft mir über alle meine kleine Unannehmigkeiten hinweg. Ich hab’ Dich doch so lieb! Wenn Du nicht mehr da wärest, nein - ich kann es garnicht ausdenken. - Nur das eine weiß ich, daß ich dann auch nicht mehr leben möchte. Dann hätte mein Leben doch garkeinen Sinn mehr. Man lebt doch nicht nur, eben, weil man atmet, so wie ein Tier. Irgend ein Ziel muß das Leben doch haben. Drum, liebster Peps, mußt Du wiederkommen, Du mußt einfach! Gell, lieber lieber Peps, Dir passiert nichts, ich meine so, daß Du nicht mehr wieder kommst. So tragisch kann doch kein Schicksal sein!

Hoffentlich kommt bald Nachricht von Dir.

Liebe Sonntagsgrüße u. Küsse

Deine Annelie.