Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 20. Mai 1941

[Der Brief ging nach Dresden, wo Andreas van Kann eine Ausbildung bei den Deutschen Werkstätten absolvierte.]

Köln, den 20.5.41. (?)

Mein lieber Adi!

Also, Freitagabend vor Pfingsten kommst Du hier in Köln an. Ich hole Dich ganz bestimmt ab. Du mußt mir nur die genaue Zeit Deiner Ankunft mitteilen. Doch das hat ja noch etwas Zeit.

Wir hatten von Samstag auf Sonntag eine schreckliche Nacht. So eine haben wir bis jetzt noch nicht mitgemacht. Einfach entsetzlich! Da mein Vater so stark erkältet war und während des Alarms im Bett liegen bleiben wollte, ließen wir ihn nicht alleine und gingen deshalb mal ausnahmsweise nicht in den öffentlichen Schutzraum. Ja, hätten wir gewußt, daß ein Großangriff stattfinden würde! So viel Bomben sind noch in keiner Nacht gefallen. In unserm Keller hört mal ja alles so gut. Die Bomben sind hauptsächlich in der Umgegend, wie Braunsfeld, L’thal, Ehrenfeld u.s.w. gefallen, auch auf die Hohestraße ins Café Bauer. Ich habe mir erzählen lassen, an den Bomben seien Sirenen angebracht. Deshalb hörte man sie diesmal auch besser pfeifen, obwohl sie doch eigentlich garnicht so in der Nähe gefallen sind. Ich glaubte bestimmt, wenn ich heute morgen die Gegend betrachten

würde, fände ich nur noch ein Trümmerfeld vor. Man zog unwillkürlich beim Zischen der Bomben den Rücken ein. Erst nach dem Aufschlag wagte man wieder zu atmen. Die ausgestandene Angst, kann ich garnicht beschreiben. Meine Cousine wollte keinen Tag länger mehr in Köln bleiben. Sie ist dann auch gleich heute mittag abgedampf[!], obwohl sie eigentlich erst nächsten Freitag fahren wollte. Ich kann es ihr nicht verdenken. Die kennen zu Hause keinen Fliegeralarm. Das Schönste war, wir lagen gerade im Bett als der Alarm kam. Helene und ich kamen nämlich erst um 12 Uhr nach Hause. Wir waren mit Gerd, seiner Freundin und Frank auf einem Kameradschaftsabend, von verschiedenen Betrieben veranstaltet. Er nannte sich „bunter Abend“ und zwar war er in der Wollschlucht oder wie das Lokal heißt, in der Gegend des alten Gesundheitsamtes. Es war aber ganz nett. Dargeboten wurden humoristische Vorträge und Lieder mit Maskerade. Na, Du kannst Dir sicher vorstellen. Auch meiner Cousine hat es gut gefallen. Für heute nachmittag war ich mit Frank verabredet. Wir waren im Kino, in „die keusche Geliebte“. Furchtbar sentimental, einzelne Stellen waren ganz nett. Weißt Du schon, daß Fritz’s Vater gestorben ist? Jetzt weiß ich nichts mehr.

Viele Grüße und liebe Küsse         

Deine Anneliese.