Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 8. November 1943

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Frankenforst, 8.11.43.

Mein liebster Adi!

Jetzt habe ich schon einige Tage keine Post mehr von Dir bekommen. Drum nehme ich schwer an, daß Du auf dem Wege in die Heimat bist. Hoffentlich habe ich morgen wieder einen lieben Brief von Dir. Oder kommst Du etwa garnicht aus dem Lazarett in Warschau weg? Es dauert so merkwürdig lange, ehe Du wegkommst oder bist Du immer noch so schwer krank und hast noch große Schmerzen.

Gewiß so wird es sein. Du willst es sicher nur nicht schreiben. Wenn ich gestern in Köln gewesen wäre, hätten wir bestimmt nochmal Warschau angerufen. Ich hätte Deinen Vater ganz lieb darum gebeten. Vielleicht hast Du sogar auf unseren Anruf gewartet. Lieber, lieber Peps!

Nun waren wir gestern in Koblenz. Die Eltern haben sich sehr gefreut uns wiederzusehen und wir natürlich auch. Die Zeit war nur zu kurz. Ich bin mal gespannt, wann meine Eltern nach Koblenz ziehen. Ich glaube, sie wären schon längst dort, wenn Mutter nicht

solche Angst vor den Fliegern hätte. Es ist ja auch leicht möglich, daß Koblenz auch mal an die Reihe kommt, bis jetzt sind sie ja noch nicht dort gewesen. Mir geht es sonst noch gut. Ein Tag ist wie der andere: morgens, mittags, abends und nachts: Fliegeralarm! Das ist ja wirklich kein Leben mehr. Wenn man keine Hoffnung auf eine bessere Zeit mehr hätte, wäre es zum Verzweifeln. Ich meine mich persönlich nicht damit, sondern die Menschheit im Allgemeinen, mir geht es ja nicht besser und nicht schlechter als den anderen. Aber ich habe ja Dich noch. -

Am Samstag sind wir auf der anderen Rheinseite über Neuwied nach Koblenz gefahren. Dabei fuhren wir über Wahn und am Petersberg und Drachenfels vorbei. Da kamen mir all’ die lieben Erinnerungen wieder. Wir haben doch schon viel Schönes miteinander erlebt. Hoffentlich wird es auch später einmal so schön wie wir es uns erträumt haben. Gell, Peps? Und nun schreib mir recht schnell wie es Dir geht und laß Dich grüßen und küssen von

Deiner Annelie.