Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 9. Dezember 1943

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Frankenforst, 9.12.43.

Mein herzliebster Peps!

Hast Du denn immer noch so wenig Post von mir bekommen. Du hast noch keinen meiner Briefe beantwortet. Vielleicht liegen bei Dir zu Hause ein paar liebe Briefe von Dir. Ich bin nämlich die ganze Woche noch nicht bei Euch gewesen. Das kann ich mir nicht leisten, es wird mir sonst zu spät. Momentan bin ich nämlich morgens und abends je über zwei Stunden unterwegs. Die Kalker Hauptstraße ist gesperrt wegen Einsturzgefahr und da fährt vom Straßenbahnhof bis Kapelle keine Straßenbahn. Was das für eine Strecke ist, kannst Du Dir vielleicht vorstellen. So müssen die ganzen Menschen auf Umwegen zu Fuß durch Kalk tippeln. In der vorigen Woche ist nämlich dort ein Haus eingestürzt, direkt auf eine Straßenbahn mit Lehrlingen von Humboldt-Glöckner, die zum Berufswettkampf fahren wollten, 12 Mann waren tot. - Dann mache ich doch lieber

eine Fußtour. Im übrigen werden die Häuser in den nächsten Tagen gesprengt.

Gestern erhielt ich einen Brief von Annemie.

Ihr Herzenswunsch soll in Erfüllung gehen.

Sie hat von ihren Eltern die Erlaubnis bekommen, Gymnastiklehrerin zu werden. Sie will ihr Studium in Zappot ? beginnen. Sie freut sich wahnsinnig. -

Nun, Liebster, wie geht es Dir? Deine Post kommt genau so spärlich, wie die meine zu Dir, obwohl Du doch bestimmt sehr oft schreibst. Es ist eine Bummelei mit der Post. Stell’ Dir vor, Annemie’s Brief ist 14 Tage von Koblenz gelaufen. -

Ich glaube jetzt schon nicht mehr daran, daß Du Weihnachten hier bist. Schade, aber immer noch besser als in Rußland. Es werden ja traurige Weihnachten werden, aber ich glaube, es gibt genug Menschen, die noch viel, viel traurigere feiern. Ich hab’ ja Dich. Und wenn Du auch nicht bei mir sein kannst, so weiß ich aber doch, daß Du da bist und an mich denkst und mich lieb hast. Ist das nicht die Hauptsache?

Herzliche Grüße u. Küsse

Deine Annelie.