Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 30. März 1944

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Frankenforst, 30.3.44.

Mein liebster Adi!

Gerade kommen wir von Schultes vom Essen. Nun sitzen wir hier im kleinen Wohnzimmer bei Radiomusik - und ich muß an Dich denken, an viel Schönes der Vergangenheit. Jetzt ist bald Ostern. Weißt Du noch, wie wir im vorigen Jahr das Osterfest verbracht haben?

Ist das denn tatsächlich schon ein ganzes Jahr her, daß wir auf dem Drachenfels und auf dem Petersberg waren? Ich meine, es sei erst gestern gewesen. Damals habe ich bestimmt nicht geglaubt, daß wir das nächste Osterfest auch noch im Kriege verleben müßten. Hat denn dieser Krieg

garkein Ende? Liebster, als ob Du das wüßtest. Ach weißt Du, der Krieg an sich ließe sich noch ertragen, aber nicht die ständigen Sorgen um Dein Leben und überhaupt das Getrenntsein von Dir. Das ist manchmal unerträglich. Oft, mitten in der Arbeit treten die gräßlichsten Bilder vor meine Augen. Dann sehe ich Dich plötzlich den Russen gegenüber oder sonst etwas furchtbares. Wie lieb habe ich [Dich] doch!

Liebster, Du wirst doch wiederkommen, ja?! -

In dieser Nacht hatten wir zwei und eine halbe Stunde Fliegeralarm mit ordentlichem Beschuß. Stell’ Dir vor, Adele und ich haben nichts gehört und in der

Stadt sind sogar Bomben gefallen.

Ich bin doch froh, daß wir hier draußen wohnen.

Mutter schrieb heute, in Ürzig seien auch Bomben gefallen. Vier Häuser an der Kirche seien ganz zerstört. Weißt Du, ich wünsche ja niemand etwas Schlechtes. Aber weshalb sollen die nicht wenigstens einen kleinen Vorgeschmack bekommen? Man sieht also, sicher ist man heute nirgendwo.

Nun Herzliebster, bleib heil und gesund und schreib mir recht oft und bald. Im Geiste lege ich meine Arme um Deinen Hals und gebe Dir einen ganz, ganz lieben Kuß, so wie Du’s gern hast.

Gute Nacht!

Deine Annelie.