Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 12. April 1944

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Frankenforst, 12.4.44.

Mein geliebter Adi!

Heute habe ich gleich zwei liebe Briefe von Dir bekommen, einer vom 30.III. und einer vom 1.4. Das ist morgens immer ein schöner Empfang wenn Post von Dir auf der Kasse liegt.

Bekommst Du auch eigentlich immer viel Post von mir? Ich schreibe nämlich täglich. Dafür finde ich immer ein halbes Stündchen Zeit, weiß ich doch wie so ein Brief von dem liebsten Menschen erfreuen kann, und das bin ich doch für Dich, gell? Übrigens, ich warte immer noch auf einen Brief von Dir. Du schriebst mir doch kürzlich, wie wir demnächst als Ehepaar wohnen würden,

das wüßtest Du jetzt und Du wolltest mir näheres in einem anderen Brief darüber schreiben. Du kannst Dir doch denken, wie gespannt ich jetzt bin. Also, vergiß es bitte nicht! -

Mir persönlich geht es noch ganz gut. Wir sind ja so froh, daß wir hier draußen wohnen. Die Nacht hatten wir von ½ 11 - ½ 1 Uhr und von 3 - ½ 5 Alarm und wir haben nichts davon gehört. In der Stadt hätte ich bestimmt im Keller gesessen und so geht es fast jede Nacht hier. Sonst wollen wir nicht klagen. Es gefällt uns hier natürlich lange nicht so gut wie im Hotel, das übrigens von einem Generalstab der Luftwaffe belegt ist. Das Haus, in welchem wir nun

wohnen, ist eine ältere, etwas altmodische Villa. Ich finde, sie ist ziemlich geschmacklos eingerichtet und ich habe schon oft lachend gesagt, aus den meisten Möbel würde Adi wohl Brandholz machen.

Man findet eben keine Gemütlichkeit darin, anders weiß ich mich nicht auszudrücken. Na, Du kennst ja wohl diese Villen mit Portièren und dergleichen. Aber was kann man auch anders von zwei alten Schachteln erwarten, die es sich zur Lebensaufgabe gesetzt haben, von morgens bis abends im Hause herum zu fegen, damit nur alles blitzt und blankt. Ich glaube, in den meisten ihrer altmodischen Sessel haben sie selbst noch nicht drin gesessen. Ich selbst habe allerdings absolut keinen Grund, so über die alten Damen

herzufahren. Aber es macht mir halt Spaß, Dir die Schachteln so zu beschreiben, wie sie in Wirklichkeit sind. Vielleicht kannst Du Dir sie jetzt auch vorstellen. Hahahaha!

Sonst geht’s mir aber gut.

Und Du mein Liebling, wie geht es Dir. Du, sauf nur nicht soviel, sonst kannst Du nachher nicht laufen wenn die Russen kämen - toi - toi -!

Ach, mein Liebster, was habe ich viel Sehnsucht nach Dir. Hat es Dir gefallen, das „viele Fleisch“ in der Frontbühne! Du, Du! Komm’ doch bald wieder! Jetzt bist Du schon einen ganzen Monat weg. Wie lange dauert es noch, bis Du wieder kommst! Ich zähle die Tage und die Stunden. Herzliebster komm bald!

Deine Annelie.