Andreas van Kann an Anneliese Hastenplug, 10. Juli 1944

Mülheim, 10.7.44.

Meine liebe Annelie!

Meine Sturheit hat sich mal wieder als einzig richtig erwiesen - ich war einer der ersten der hier war und viel zu früh!

Am Sonntag-Vormittag war Appell mit allen Klamotten und jetzt sitzen wir hier umher und warten darauf, bis wir weggeschickt werden. Es gibt vier Möglichkeiten für mich: Dresden, Prag, Posen oder Thorn ...

Heute Mittag soll es losgehen, es ist bereits 11 Uhr und wir haben noch immer keinen Bescheid. Naja, man hat ja warten gelernt beim Barraß. -

Übrigens sind wir alle mit dem Haarschnitt aufgefallen. Eben komme ich vom Barbier zurück - -

Liebling ich sehe aus ... wie der erste Mensch. Du darfst mich jetzt nicht sehen - nein, lieber nicht. In 3 Monaten - schätze ich - werden die Federn wohl wieder in etwa

manierlich nachgewachsen sein - ist ja eine lange Zeit. -

Ja - eine lange Zeit ...

In der wir uns nicht sehen. Du - hast Du Dich mal mit diesem Gedanken vertraut gemacht? Drei lange Monate ... Du, das werden unerhört schwere Wochen für mich. Wenn ich ja nach Dresden käme, wäre ja ein Besuch garnicht so unmöglich - na, da muß ich ja erst mal abwarten.

Gestern hättest Du gut nach hier kommen können, es waren viele Bräute, etc. pp. von meinen Genossen hier. Wenn ich aber an die Beförderungsbedingungen denke, bin ich doch froh, daß Du in Koblenz geblieben bist, obwohl ich Dich ja sehr gerne hier gehabt hätte.

Liebe Frau, wir haben ja ein solch herrliche Zeit hinter uns! Zwei Monate, in denen uns Freund Amor treu zur Seite stand. Es war so schön, Annelie!

Laß mich Dir danken, Liebste! Für alle Liebe und -

auch für alle Zärtlichkeiten. Ich will nicht viel Worte machen; nur das eine: Nach den Lehrgängen wirst Du (auch nach außen hin!) meine Frau! -

Wie ich Dich lieb hab - - -

Weißt Du es?

Jetzt im Lehrgang werde ich wohl nicht viel Zeit haben - jeden Tag werde ich wohl nicht zum Schreiben kommen. Sei mir deswegen nicht böse. Du weißt ja, daß ich es schaffen will - auch Deinetwegen! Du verstehst mich gewiß. Aber so ich Zeit habe, schreibe ich, zum Mindesten aber Samstags - Sonntags. Du aber mußt mir etwas öfter schreiben, ist grad nicht nötig, daß Du jeden Tag schreibst - ich weiß ja unter welchen Verhältnissen Du leben mußt. Aber im Bezug auf Schreiben habe ich mich ja über Dich noch nie zu

beklagen gehabt! - -

Du wirst es gewiß wieder richtig machen, wie immer und alles!! -

Und das ist keine Ironie! Bei Gott nicht! -

Laß mich schließen, Liebste ich grüße und küsse Dich

tausendmal

Dein Adi.