Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 16. Juli 1944

Köln, den 16.7.44.

Mein lieber lieber Adschki!

Heute ist Sonntag! Der erste Sonntag seit langer langer Zeit ohne Dich. Ich habe heute dauernd an unsere vergangenen Sonntage denken müssen, an unsere schönen Sonntage in Kleve und auch in Koblenz. Ja ich merke doch, daß das Umgewöhnen wieder sehr schwer fällt. Adi, lieber lieber Adi, hast Du auch heute daran gedacht? Natürlich und sicher hast Du mir einen ähnlichen Brief geschrieben. Wie lieb ich Dich habe und wie öde und traurig ohne Dich die Welt ist. Heute war ich den ganzen Tag bei Deinen Eltern und habe gebügelt und genäht; ich war ja auch sehr rückständig! Nun sitze ich hier an Deinem Schreibtisch und schreibe und ab und zu beiße ich mal in mein Stück Johannisbeerkuchen. Ob Du Dir auch heute Kuchen kaufen konntest? - Wie bin ich froh, daß Dir die Stadt Thorn so zusagt, dann fällt es Dir auch nicht gar so schwer. Es ist ja ein gutes Stück von hier entfernt, aber doch nicht so weit, wie Rußland. Aus einem Besuch wird natürlich nichts, aber vier Monate gehen ja auch einmal herum. Und schöne Frauen gibt es auch in Thorn? Na, die können Dir natürlich nicht gefährlich werden! O bitte! Das war garkeine Ironie. Du, ich habe Dich doch so lieb und Du mich doch auch, gell?! Du hast mir ja solch liebe Briefe geschrieben. Da

wurde es mir aufeinmal ganz warm ums Herz und Du warst garnicht mehr soweit weg. Du, ich freue mich ja so auf Dein Wiederkommen. Dann liegt sie ja nicht mehr fern die Zeit, wo Du mir ganz gehörst. -

Gestern war ich bei Schäfers. Am Freitagabend traf ich Käthe und da sagte sie, ich soll doch mal zu ihnen kommen. Ich bin dann gestern auch dort gewesen. Schäfers sind lustig und man wird auch schonmal was Neues gewahr. Lia Bender hat geheiratet, ganz groß, in Weiß - natürlich nicht den Albert. Sicher hat das Kind schon den Schleier getragen. Anni und Edi wollen sich Weihnachten verloben. -

Hier hat sich sonst noch wenig ereignet seitdem Du weg bist. Am Liebsten bin ich im Geschäft, da geht die Zeit am Schnellsten um, die Wartezeit auf Dich. Ob der Krieg bis dahin aus ist? Ich grübele soviel über alles nach. Heute sage ich „vielleicht“ - morgen sage ich, oder besser muß ich mir sagen „unmöglich“. Es ist zum Verrücktwerden. Wir müssen abwarten und Tee trinken. -

Mein Allerliebster, ich werde Dir recht oft schreiben, Du brauchst aber nicht jede freie Minute zu opfern, mir zu schreiben. Ich weiß doch jetzt, daß Du gut aufgehoben bist. In Deiner Freizeit sollst Du Dich erholen, gell mein lieber Adschki. Nun einen lieben Sonntagskuß - da unten in der Ecke ist er ...

Deine Annelie.