Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 13. Oktober 1944

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Köln, den 13.10.44.

Mein lieber Adi!

Nun wirst Du sicher schon die letzten traurigen Ereignisse von Deiner Mutter erfahren haben. Ich war gestern abend so fertig, daß ich nicht mehr fähig war, Dir einen Brief zu schreiben. -

Jetzt ist unser schönes Häuschen in Koblenz auch futsch! Ich kann es noch garnicht fassen. Wie ich mich über diese Nachricht erschrocken habe, kann ich Dir garnicht sagen, besonders, weil ich damit garnicht gerechnet hatte.

Trotzdem, wenn das der letzte Schmerz wäre, der uns in diesem Krieg zuge-

fügt worden ist, will ich noch gerne zufrieden sein. Meine armen Eltern tuen mir nur leid. Sicher kannst Du Dir vorstellen, wie furchtbar es für sie ist. Doch mit der Zeit werden die Menschen hier ja alle Haus und Gut verlassen müssen. Morgen früh werde ich nach Koblenz fahren, vielleicht fährt Deine Mutter mit.

Heute Nachmittag werden wir uns mit Adele auf dem Bahnhof treffen, das arme Plag muß nach Pommern ohne auch nur einen Tag Urlaub dazwischen zubekommen. Ob sie überhaupt schon Nachricht von den Eltern bekommen hat? Ich werde mein Möglichstes tuen, daß sie heute vom Bahnhof mit mir gehen kann. Wenn man zweimal für das

Vaterland alles opfert, ist das nicht wert, ein paar Tage Urlaub zu bekommen? Schließlich ist sie doch kein Soldat.

Ich selbst bin fürchterlich erkältet. Am Liebsten möchte ich mich ins Bett hinein legen.

Mit meinem Besuch nach Thorn, ja, daraus wird wohl nichts werden. Bei den heutigen Verhältnissen ist es direkt unmöglich, und außerdem gibt’s immer noch keinen Urlaub, jetzt erst recht nicht! -

Die Staatsangehörigkeitsbescheinigung habe ich bei der Polizei beantragt. Man versprach mir, die Sache zu beschleunigen. Hoffentlich ist es wahr. Kannst Du denn

noch nicht die Heiratsgenehmigung einreichen, ohne diese Urkunde. Du bekommst sie doch bestimmt nach. Heute dauert doch alles doppelt so lange durch den ewigen Fliegeralarm und die Angriffe! Ich bin bange, daß es uns dann zu spät wird. Sprich dochmal bitte mit Deinen Vorgesetzten, ich meine, in der heutigen Zeit müßte man doch etwas Verständnis dafür aufbringen. Wenn es uns vergönnt ist, daß wir im nächsten Monat zusammen sein dürfen, so möchte ich doch gerne Deine Frau sein, wir haben sonst ja garnichts von unserem Urlaub. Ich kriege nämlich sonst keinen Urlaub und blaumachen, ja das ist heute auch recht schwierig. Im Übrigen

hab’ ich Dich doch so lieb, daß ich garkeine Minute in Deinem Urlaub ohne Dich sein möchte. Es ist doch das einzige was wir noch haben und worauf man sich freut, auf gemeinsame liebe Stunden. Du weißt doch noch, wie es im anderen Falle ist, diese Quälereien und Aufreibereien kennen wir doch zu genüge. Jeden Abend werden wir zum Frankenforst schlafen fahren, in unser stilles warmes Zimmerchen. Dort haben wir Ruhe. Wir brauchen nicht bei jedem Alarm in den Keller und außerdem stören wir niemanden und uns stört niemand. Liebster, es wäre ja doch herrlich, wenn es so käme. Ganz still und bescheiden wollen wir sein nur zusammen gehören wollen wir. Ich habe Dich doch so sehr

lieb und solche Sehnsucht habe ich nach Dir. Ach, Liebster, hoffentlich geht bis nächsten Monat alles gut und Du bekommst Deinen Urlaub.

So, nun müssen wir uns so allmählich fertig machen, ich will vorher noch in die Apotheke, mir etwas gegen meine Erkältung zu holen!

Liebster, wärst Du doch endlich hier!

Brennend heiße Küsse

Deine Annelie.