Andreas van Kann an seine Frau Annelie, 8. Januar 1945

Kaltenherberg, 8.1.44 [geändert in:] 45?

17.40 h

Meine liebste Annelie!

So ist das nun beim bekloppten Barras: Es kommen Befehle, alles überschlägt sich und dann hat man immer noch eine Unmenge Zeit. Ich bin garnicht bis zum Bahnhof gekommen, ein Glück, daß ich noch gezögert habe. Gegen 16 Uhr kam eine Meldung von der Bahn, daß vor 24.00 Uhr mit dem Zug nicht gerechnet werden könnte. Da bin ich halt gleich wieder ins Quartier abgezittert und mir’s in der Küche bei Kaffee und Kuchen gemütlich gemacht.

Und immer habe ich an Dich denken müssen, ich sah Dich auf der Landstraße tippeln, Du Ärmste - bei diesem Wetter. Hättest ja auch gut noch einen Tag hier bleiben können, wer weiß, ob Du weg gekommen bist, womöglich liegst Du irgendwo auf der Straße herum. Nun, ich will mir’s nicht so schwarz malen, Du wirst es schon schaffen, ich hab ja eine tapfere Frau. - -

Das dürfte nun heute der Abschied für eine

längere Zeit gewesen sein. Liebste, ich habe ein Gefühl, als ob ich totkrank sei. Weißt Du, es ist ja alles so trostlos - im Moment kotzt mich mal wieder alles an.

Als ich Dich so sah, in den Wintertag hinein stapfen, Du - ich hätte am Liebsten geweint. Es war, als wenn Du mein ganzes Leben mitgenommen hättest. Da stand doch plötzlich nur noch der öde Anzug eines Leutnants ... Dann bin ich rein, zu den raubeinigen Kriegern ...

Jetzt, Annelie, laß mich Dir bitte danken! Danken für die letzten Tage, die Du mir geschenkt hast. - Liebste, es war so wunderschön, es war wie ein Traum. Leider war der Traum nur so schnell beendet. - Doch es ist nun mal so: einmal kommt ja immer wieder ein Abschiednehmen - wenn auch der Urlaub noch so lange ist. Im Augenblick des ersten Trennens entschwindet der Begriff für die vergangenen Tage völlig. Und es ist ja so schwer. Aber daran ist ja nun nichts mehr zu ändern, solange ich den grauen Rock trage, wird es immer wieder ein Abschied nehmen geben. - Was uns die Tage, die vor uns liegen, bringen

werden, Liebste, ich weiß es nicht. Ich weiß nur - und daran glaube ich - daß doch einmal alles gut wird. Ich bin mir zwar auch darüber klar, daß wir noch manches vor uns haben; manche Sorgen und Leid werden nicht spurlos an uns vorüber gehen. -

Doch halt, was schreibe ich da wieder. Bloß nicht melancholisch werden - hart bleiben - es ist besser so. Und Kopf hoch! Auch mir ist es sehr schwer - es tut so weh ums Herz ... aber es hilft uns nichts, wir müssen uns durchbeißen!

Annelie, ich liebe Dich - - liebe gute Frau. Und dann: Du hast doch noch den Brief, den ich Dir vor meinem ersten Fronteinsatz gab - Du weißt! - bitte vernichte ihn gleich durch Feuer. Ich habe nicht daran gedacht; jetzt wo wir verheiratet sind, ist er gegenstandslos geworden und ich möchte nicht, das Du ihn noch länger aufbewahrst. -

Liebste, ich muß mich mächtig zusammen nehmen - -

bleib mir meine liebe Kameradin

immer Dein Adi.