Anneliese van Kann an ihren Mann Andreas, 11. Februar 1945

In der 5. Woche Sonntag

Frechen, den 11.2.45

Mein lieber Adi!

Draußen regnet es in Strömen. Das Wetter ist genau so, wie es einem selbst zu Mute ist. Es ist alles so grau und so finster. Ich fühle mich so einsam und verlassen. Wenn ich Deine Eltern nicht hier hätte, ich würde des Samstags und sonntags bestimmt vor Heimweh vergehen. So habe ich wenigstens Menschen um mich, die gut zu mir sind. Und das sind Deine Eltern bestimmt. Nun, das weißt Du ja selbst. -

Was magst Du heute gemacht haben? Wenn Du noch in Ruhe liegst, hattest Du ja bestimmt ein klein wenig Zeit. Sicher

hast Du mir dann einen lieben Brief geschrieben. Ich habe ja erst einen Brief von Dir bekommen, den, in dem Du Deine Ankunft mitteiltest. Aber wie lange ist das nun schon her. Fast einen ganzen Monat und was kann sich in dieser Zeit nicht alles ereignet haben. Ich habe heute so viel an Dich gedacht und so viel Liebes von Dir geträumt. Das mußt Du doch gewiß gemerkt haben und sicher hat Dir auch ein paarmal das Ohr geklungen.

Weißt Du, es ist schrecklich, wenn man so wenig Post bekommt. Hoffentlich ist morgen ein lieber Brief von Dir da. So tröstet man sich von einem Tag auf den anderen. Weißt Du noch, früher, als Du noch in Hellerau warst und auch wäh-

rend der R.A.D.-Zeit lag fast jeden Tag so ein lieber Brief von Dir, wenn ich abends nach Hause kam, auf unserem Waschtisch. Wie unglücklich war ich damals, wenn mal ein oder zwei Tage so ein Brief ausblieb. Wer hätte damals gedacht, daß das alles so kommen würde, daß man über einen Brief im Monat schon sehr glücklich ist und damit zufrieden sein muß. Hoffentlich hast Du auch schon Post von mir bekommen. Ich weiß doch wie das ist, wenn man so sehnsüchtig auf Post wartet. Ach, lieber Adschki, wie lange mag es noch dauern, bis Du mal ganz bei mir bist. Dann lasse ich Dich aber nie nie wieder weg. Wird es überhaupt nochmal soweit kommen? Manchmal könnte man ganz mutlos werden. Du weißt, ich bin doch

überhaupt so ein Pessimist. Ich habe Dir dadurch bestimmt schon manche schwere Stunde bereitet mit meiner Angst und meinem Nichtbeherrschenkönnen. Denk’ nur mal an den letzten Abschied. Da war ich doch garnicht ein Bißchen tapfer. Es hat mir aber auch bald das Herz abgedrückt. Nun liegt das alles schon wieder einen ganzen Monat zurück. Und diesmal kann ich garnicht sagen: in zwei - drei Monaten kommt er ja wieder zurück, das erstemal, wo Du auf unbestimmt lange Zeit weg bist. Es ist so schrecklich, Liebster! -

Weißt Du auch, daß heute eigentlich Fastnacht ist. Welch lächerliches Wort. Und doch birgt auch dieses Wort für mich eine kleine Erinnerung. Vor sechs Jahren warst Du des Montagmorgens bei uns am Käseladen. Dort sagtest Du, ob ich nicht auch heute abend zum Kafé Jansen kommen wollte, K. Schäfer hätte auch schon zugesagt. Du Böser, und dann bist Du doch

nicht abends gekommen. Ich war so enttäuscht, für mich war der ganze Abend verdorben. - Und Du sagst da immer, ich hätte Dich im Anfang garnicht lieb gehabt. Und ich sage, es ist wohl wahr!

Küßchen! Deine Annelie.