Anneliese van Kann an ihren Mann Andreas, 14. Februar 1945

In der 6. Woche, Mittwoch

Frechen, den 14.2.45

Mein lieber Adi!

Ich bin so müde - von lauter Bunkersitzen! Denk’ mal, wir haben heute von heute früh ¼ vor 9 bis eben ½ 6 Uhr an einem Stück im Bunker gesessen. Mit Todesverachtung habe ich ½ Stunde für den Mittag geopfert. Ach, Liebster, und dann muß ich immer an Dich denken. Die Tiefflieger sind doch an der ganzen Westfront tätig. Ob Du Dich dann dagegen schützen kannst oder ob Du Dich nur in den Dreck werfen darfst? So einen Bunker, wie wir ihn haben, wird Dir bestimmt nicht zur Verfügung stehen. Adschki, ich habe manchmal solche Angst.

Man hört und liest immer nur von Stunden, die noch härter und schlimmer für uns werden sollen als bisher. Dann überkommt mich eine mächtige Furcht - um Dich. Hätten wir doch endlich alles glücklich überstanden. -

Ich bekomme auch so sehr wenig Post von Dir. Es ist ja klar, es liegt nur an der Bahnverbindung. Fahren von dort aus nicht schon mal Fahrzeuge hier in diese Gegend, denen Du mal einen Brief mitgeben könntest? Ich sehne mich doch so nach ein paar lieben Zeilen von Dir. Ich hab’ Dich doch so lieb und immer immer bin ich in Gedanken bei Dir. Jetzt, im Bunker, hab’ ich ja immer so viel Zeit an Dich zu denken. Dann

setze ich mich in ein Eckchen, schließe die Augen und träume von Dir und von unserer Zukunft. Natürlich will ich dann nur Schönes denken, alle häßlichen Gedanken stelle ich ganz in den Hintergrund - und wenn ich dann die Augen öffne, dann steht mir wieder das ganze Trostlose unserer Zeit vor Augen. Es ist zum Weinen. Denkst Du auch schon mal an mich? Bekäme ich doch endlich wieder Post von Dir! -

Von Vater erhielt ich heute einen Brief vom 30. Januar. Sie hatten bis dahin immer noch keine Post von mir und sind sehr in Unruhe, ob ich Weihnachten auch gut hier angekommen bin. Von unsere Heirat wußten sie natürlich auch noch nichts.

Ist das nicht furchtbar! Dann machen sie sich auch große Sorgen um Adele. Ich kann’s mir gut vorstellen. Ich habe auch schon längere Zeit keine Post von ihr bekommen.

Wäre doch endlich einmal der Krieg zu Ende! Jetzt habe ich schon wieder zwei Stunden im Bunker gesessen. Nun ist Vorentwarnung und ich will Deinen Brief fertig schreiben. Wie mag es Dir jetzt gehen und wo magst Du sein? Wenn ich doch immer bei Dir oder wenigstens in Deiner Nähe sein könnte. Adschki, Liebster, ich hab’ solche Sehnsucht nach Dir!

Im Geiste umarme ich Dich und küsse Dich heiß und stürmisch.

Deine Annelie.