Ursula Lindemann an Lotti, 26. Oktober 1944

Köln, den 26.10.44.

Liebe Lotti!

Gerade sind wieder viele Verbände über Köln, die uns zum Glück nur überfliegen. Es ist ein unheimliches Gefühl, das ständige Brummen über sich zu hören. Helmie und ich waren gerade in Rodenkirchen, um an unserer neu entdeckten Wasserpumpe unsere Wäsche auszuspülen. Es ist alles furchtbar umständlich. Auch Licht haben wir immer noch nicht. Wahrscheinlich werden die Reparaturen noch 3-4 Wochen dauern.

Draußen wird sehr vernebelt. Durch unsere, mit Pappe notdürftig geflickten Fenster ist der Nebel ganz in unser Haus gezogen und

verpestet alle Zimmer.

Du, Lotti, wie ist es nun eigentlich mit Deinem Examen? Garnichts weiß ich, was bei Dir alles passiert. Und ich nehme doch so gerne an allem teil, was Dich betrifft. Ich habe all diese Tage an Dich gedacht und Dir nur das Beste gewünscht. Hoffentlich hast Du jetzt alles gut überstanden. Und was machst Du nun nach dem Examen? Ich hoffe sehr, daß Du Dich nicht zur Rüstung entschlossen hast, sondern in Ruhe (soweit es möglich ist) weiter studierst. Schreib mir doch bitte, wie sich nun alles gestalten wird. Vielleicht machst Du erst einmal eine kleine Ruhepause und ruhst Dich nach der vielen Lernerei etwas aus. Denn das wird Dir

gewiß auch mal guttun, Du sahst nähmlich zuletzt, als ich bei Euch war, recht müde und angestrengt aus. -

Hier in Köln passieren in den letzten Wochen ganz fürchterliche Dinge. Es ist einfach entsetzlich. Man wagt sich bald garnicht mehr aus seinem Haus heraus. Besonders in Ehrenfeld ist es garnicht mehr sicher. Ich darf nicht an all das Schauerliche denken. -

Sind eigentlich Bartels nicht mehr in Köln? Ich fand vor einigen Tagen bei ihnen alles verschlossen und leer vor. Bei ihnen hat es auch bei dem 5. schweren Angriff gut gegangen. Heute mittag sind auch wieder Bomben in Köln gefallen. -

Die Front ist in den letzten Tagen

unheimlich ruhig geworden. Seitdem Aachen gefallen ist, sind scheinbar nur noch örtliche Kämpfe im Gange. Stattdessen hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe nach Holland verlagert. Hoffentlich geht es Hansa noch gut. Habt Ihr, außer den Briefen vom 13. u. 16.9. noch einmal Nachricht von ihm erhalten? Von Hans und Klaus sind immer noch keine Lebenszeichen angekommen. Hier ist es nicht mehr schön. Mein Vetter Karl-August ist vermißt. Vorgestern haben wir die Nachricht von der Ortsgruppe bekommen. Er war bei s’Hertogenbosch einsetzt. Es ist sehr schwer, besonders, da auch von Günter, der bei Aachen steht, schon länger Nachricht fehlt. -

Wie geht es Deiner Freundin Maria?

Ich hätte sie ja so gerne damals besucht, aber es war ja alles anders geworden, als wir es uns gedacht hatten. – Werdet Ihr noch sehr von den Fliegern belästigt? Man hört hier ja garnichts mehr, was an den Fronten geschieht. -

Inzwischen war Vorentwarnung, und ich muß nun wieder nach Rodenkirchen und an der Pumpe weiter bei der Wäsche helfen. Auf diesem Wege will ich versuchen diesen Brief irgend einem Auto mitzugeben, damit es auswärts eingeworfen wird.

Grüße bitte Deine Mutter und Gisela schön von mir.

Dir alles Liebe und viele gute Wünsche von

Deiner Ulla.