Ursula Lindemann an Lotti, 29./30. Oktober 1944

Brief I.

Köln, 29.-30.10.44.

5.11.

Liebe Lotti.

Gerade ist es 24 Uhr. Ich liege in meinem Bett, aber ich kann noch nicht schlafen. Das Licht ist furchtbar schlecht. Durch die aufgerissenen und zertrümmerten Fenster saust der Wind und eine eiskalte Luft strömt ins Zimmer. Vorhin um 9 Uhr haben wir wieder einen furchtbaren Angriff erlebt. Allerdings ist diesmal scheinbar der Süden kaum berührt worden, aber es war doch wieder schrecklich. Einige Bomben sind wieder in unserer nächsten Nähe gefallen. Allmählich wird es zuviel. Man

und all den anderen zerstörten Städten an den Fronten vergleichen.

Jetzt brummt es wieder ganz doll. Und man weiß nicht, ist’s Freund oder Feind.

Vermutlich ist es das letztere. Es ist unheimlich. Man lebt in einer steten Sorge und Angst und findet kaum Ruhe. Manchmal habe ich das Gefühl, es sei alles aus, es könnte einfach nichts mehr weiter gehen.

Euer Hänschen und der Kanarienvogel, der mir vor einigen Tagen zugeflogen ist, sind beide durch die Zimmer geschleudert worden, doch sie leben noch. Die armen Kerlchen haben

auch einen tüchtigen Schrecken bekommen.

Wenn es so weiter geht, bekommen wir überhaupt kein Licht, Wasser und Gas mehr. Außerdem heißt es überall in 14 Tagen sei keiner mehr in Köln. Ja, man weiß garnichts mehr was alles geschieht. Vielleicht steht der Feind v. den Toren und wir haben nichts gemerkt. Es ist alles sehr sehr schwer und oft meint man schier zusammen zu brechen unter der Last, die auf einem liegt.

Ich hab jetzt so viel dummes Zeug zusammen geschrieben – ich will jetzt versuchen zu schlafen.

D. Ulla.