Christa Lehmacher an ihren Bruder Robert Weichelt, 10. September 1939

Köln, den 10.IX. 1939

Lieber Robert!

Für Deine kurzen Zeilen sage ich Dir meinen besten Dank. Ich möchte jedoch nicht weiter darauf eingehen, da wir uns über den betreffenden Punkt wohl nie einigen werden. Es ist besser so, wenn wir die ganze Angelegenheit ad acta legen.

Leider war es mir nicht möglich, Dir früher zu antworten, da ich immer noch sehr leidend bin und somit außerstande, einen einigermaßen vernünftigen Brief zusammenzuschreiben. Der armen Mutter mache ich große Sorgen. Sie sieht wahnsinnig schlecht aus. Ich hätte so sehr gewünscht, auf mein Los einen Gewinn zu ziehen, damit Mutter einige Tage Urlaub machen könnte. Aber das ist ja auch Pech gewesen.

Käthe war vor einigen Tagen hier. Da mich die Angelegenheit Deinetwegen recht lebhaft interessiert, habe ich mit einem mir bekannten Arzt gesprochen. Nach Darlegung erklärte mir dieser, dass in 1000 zu 1 Fall die Sache noch klappen könne. Ehrlich habe ich das Käthe gesagt mit der Bemerkung, dass ein sehr bekannter Arzt sich in meinem Fall ja auch bitter getäuscht hätte. Ich habe ihr geraten, sich doch einmal von einem anderen Arzt untersuchen zu lassen, womit durchaus kein Misstrauen gegen ihren jetzigen Arzt verbunden wäre. Diesen Rat habe ich unter anderem aus folgenden Erwägungen geschrieben: ich persönlich leide wahnsinnig unter der dauernden Abwesenheit Gunthers. Bei Euch wird das noch durch die Entfernung viel schlimmer sein. Das glaub mir, auch Ihr werdet davon nicht verschont bleiben. Darum meine ich, Käthe sollte sich noch einmal gründlich untersuchen lassen, damit Ihr eventuell nicht unter diesem Druck heiratet, der sich später als Irrtum

herausstellt. Denn noch 1 ½ Jahr so weit voneinander weg zu sein, ist Wahnsinn. Ich, von mir aus gesehen, würde das überhaupt nicht aushalten. Nur mit Aufbietung aller Willenskraft gelingt es mir von Samstag bis Sonntag nächster Woche.

Im übrigen möchte ich Dich noch auf einen Irrtum aufmerksam machen. Du schreibst Käthe hätte Dir mitgeteilt, dass sie alles mögliche versucht hätte, während sie Mutter sagte, sie hätte unter keinen Umständen gewollt, dass die Sache in Ordnung gebracht würde.

Wahrscheinlich wirst Du erbost sein, weil ich Dir das schreibe. Ich tue das aus dem Grund, um Dein Gewissen bezüglich dieses Grundes zu beruhigen. Gesundheitlich geht es Käthe sonst anscheinend sehr gut; jedenfalls war sie genau so lebhaft und laut wie sonst auch. Sie hat sich nicht im geringsten geändert.

So und nun eine Bitte! Sei nicht zornig über die etwas krasse Sprache meines Briefes. Du weißt genau, dass ich Dich als Bruder sehr gerne habe. Ich fühle, dass ich meine Pflicht tue. Und eines darfst Du nicht vergesse, ich spreche aus eigener Erfahrung und weiß, wie bitter manches ist. Und ich möchte es Dir gerne ersparen. Ich bin eben aus Erfahrung klug geworden und rate Euch beiden aus meinem Leben. Denn ich werde ja wohl in 3 Wochen entbunden werden. Dein 1. Neffe oder Nichte wird Dich bei Deiner Heimkehr hoffentlich wohl gesund und munter ankrähen.

Ich möchte wünschen, dass alles gut geht.

Dir wünsche ich alles Gute und grüße Dich herzlich
Deine Christa