Christa Lehmacher an ihren Bruder Robert Weichelt, 22. April 1940

Köln, den 22.IV.1940

Lieber Bruder!

Nun will ich Dir aber auch endlich Deinen lieben Brief beantworten. Übrigens vielen Dank! Das es Dir in München so gut gefallen hat, kann ich mir lebhaft denken. Auch freue ich mich sehr, dass Du einen guten Apparat bekommen hast. Ich habe mich hier verschiedentlich bemüht. Es war aber beim besten Willen nichts zu machen.

Aber zunächst will ich Dir das Wichtigste ausführlich beantworten. Ich habe mit Günther des langen und breiten, hin und her überlegt und hab also nun folgendes ausgeklüngelt:

Gesetzt der Fall, wir bleiben in Köln, dann kann Emmi selbstverständlich zu uns kommen. Sie könnte dann bei Mutter in Deinem Zimmer wohnen; da ich ja hier keinen Platz habe. Sonst wäre sie den ganzen Tag bei mir. Ich habe Arbeit genug, um sie von Morgens bis Abends ausreichend zu beschäftigen. Ich würde sie Deinen Wünschen entsprechend erziehen in Bezug auf Flottheit [?], Küche, Großstadtleben usw. Ich würde dann je nachdem 50-60 RM haben müssen. Alles Weitere wie Taschengeld, Krankenkasse usw. ist darin natürlich nicht einbegriffen.

Gesetzt den Fall, wir kommen von Köln fort (was jetzt sehr gut möglich sein kann, da Günther sich verschiedentlich beworben hat) dann wäre folgendes:

Ich würde Emmi auch dann sehr gerne zu mir nehmen. Ich müsste dann gleich von vorne herein mich darauf einstellen, d.h. also, 4 Zimmer, sodass eines für Emmi reserviert wäre. Das würde dann später Kinderzimmer. Aber dabei ist leider ein Haken. Ich müsste dann neu anschaffen: 1 Bett nebst Nachttisch, 1 Schrank und eine Kommode. Das würde natürlich als Anschaffung ziemlich viel Geld kosten, sodass Du mir also im ersten Monat etwas dazu tun müsstest. Alles weitere findet sich dann ja von selbst. Für uns käme wahrscheinlich Stuttgart in Frage. Diese zweite Lösung halte ich noch für die Richtigste aus folgenden Gründen:

Wenn Emmi hierher kommt, dann wird sie auch sofort in der Verwandtschaft, sprich Möbius(?), präsentiert. Das halte ich im Augenblick für höchst überflüssig. Allerdings musst Du Dich da selbst entscheiden. Ich muss Dir ehrlich sagen, ich halte es für das Allerbeste wenn sie zu mir kommt. Weißt Du, sonst fängt das Geklatsche und Getratsche gleich wieder an und das halte ich auch für so überflüssig wie nur irgend möglich. Nebenbei lernt sie dann auch gleich ganz von selbst Kindererziehung, d.h. im Augenblick Säuglingspflege.

                                                                              23.IV.1940

Gestern war es schon zu spät geworden um weiterzuschreiben. Ich habe ein großes Bedenken. Sag mal, was ist mit der Käthe? Ich hörte zu meinem nicht geringen Entsetzen, dass sie in Deinem Wohnzimmer gewohnt hat. Was das nicht ein sehr großer Fehler von Dir? Hast Du mit ihr wieder von vorne angebändelt? Und dann noch eine sehr große Frage: Hast Du dem kleinen Hasen etwas von dieser Episode erzählt? Ich würde an Deiner Stelle alles klar und deutlich erzählen und keinen Hehl aus der ganzen Sache machen. Man weiß nie, was das Weib noch unternimmt, um Dich festzuhalten. Ich traue der da nicht über den Weg. Und im übrigen tut es nie gut, wenn man Geheimnisse voreinander hat. Und dann ist ja wohl mit Käthe jetzt endgültig Schluss, sodass von Emmis Seite aus keinerlei Befürchtungen mehr notwendig sind. Sag mir doch darüber mal Bescheid! Wenn Du es gerne willst, kann ich ihr das ja auch klar machen. Aber wenn Du es tust, ist es richtiger. So, das wäre wohl in dieser Beziehung alles.

Günther geht es im Augenblick wieder besser. Allerdings glaube ich nicht, dass das Geschwür beseitigt ist. Na, wir wollen das Best hoffen. Auch hoffe ich stark, dass das etwas mit den Bewerbungen gibt. Aussichtsreich ist die an Daimler-Benz, Stuttgart, wir wollen mal sehen.

Utakind wird von Tag zu Tag netter. Jetzt sitzt der kleine Stropp schon alleine. Fressen tut sie,

das ist schon nicht mehr schön. Bei diesem herrlichen Wetter gehe ich schon morgens mit ihr los und nehme ihren ganzen Fraß mit. Wir bleiben dann den ganzen Tag bei Möbius(?) in der Sonne. Nackt strampelt sie dann da rum, dass es eine helle Wonne ist, zuzuschauen. Na, vielleicht kommst Du bald mal wieder her. Dann wirst Du aber schauen.

So, für heute Schluss. Das Wetter lockt so verführerisch, dass wir raus wollen. Sie schimpft schon gewaltig, dass ich noch nicht mitgehe.

Also, lieber Robert, schreibe mir bald, wie Du Dir das nun alles denkst. Wenn ich etwas hören sollte, teile ich Dir das gleich mit.

Herzliche Grüße
sendet Dir Deine Christa

Günter lässt Dich herzlich grüßen und dankt Dir für die Anregung. Wenn es irgend möglich ist, will er sie aufgreifen.