Christa Lehmacher an ihre Schwägerin Emmi Weichelt, 9. September 1943

Köln, den 9.9.43
z.Zt. Excelior-Hotel

Liebe Emmi!

Heute muss ich mich mit einem ganz schlechten Gewissen an Dich wenden. Ich habe Deinen Geburtstag vollständig vergessen. Es hatte aber seinen tieferen Grund. Ich bin in der vergangenen Woche auf einen Sprung nach Waltenhofen gefahren. Und über der Freude an meinem kleinen Mädchen habe ich Dich ganz vergessen. Nicht weniger herzlich aber kommt mein verspäteter Glückwunsch. Ich wünsche Dir also für Dein kommendes Lebensjahr alles Gute und viel Freude. Hoffen wir, dass uns bald der Friedensengel winken wird. Dann können wir wieder einmal in alter Frische alle zusammen kommen. Leider ist es mir nun nicht möglich, für Dich etwas Nettes aufzutreiben. Sollte sich mir einmal die Möglichkeit bieten, so bekommst Du mein Geburtstagsgeschenk noch nachträglich. Also, nicht böse sein. Ich werde mich bessern.

So, Robert, jetzt kommst Du auch dran. Vielen Dank für Deinen Brief. Ich habe mich gefreut, dass Euch nichts passiert ist. Hier haben wir ja eine beängstigende Ruhe. Das heisst, Alarm haben wir ja immer, aber keine Bomben. Den Radioschein habe ich auch bekommen. Ich werde nächste Woche die Sache erledigen. Einen Schein von der Firma kann ich nicht bekommen, da ich da selber einen einreichen werde.

Die RM 129,— sind noch nicht eingezahlt. Ich habe heute nachfragen lassen. Den Schein für Nutzungsschaden lege ich Dir anbei.

In der Wohnung habe ich nun die Scheiben alle genau drin. Die meisten habe ich auch schon verkittet. Einige habe ich noch zu verarzten. Das werde ich wahrscheinlich diesen Samstag machen. Ich habe mit dem Verwalter gesprochen, der mir sagte, dass ich wahrscheinlich auch in der nächsten Zeit im Zuge der Selbsthilfe meine Mauern gezogen bekomme. Dann ist mir ja wieder geholfen. Und ich wäre sehr glücklich, wenn das klappte, denn ich habe das Hotelleben so satt, wie nur irgendetwas. -- Wenn Du wieder kommst, so werde ich mich sehr freuen.—

Das Parfüm habe ich leider nicht bekommen können. Die er-

warten aber eine neue Sendung. Ich werde also noch einmal da vorbei gehen, und ich hoffe, dass ich dann etwas bekommen kann.- -

Irmgard hat mir auch noch nicht berichtet. Ich muss sagen, die Sache mit Italien jetzt ist mir heute Morgen doch etwas auf die Nieren geschlagen, denn man weiss jetzt nicht, wie Süddeutschland werden wird. Ich habe Sorge, dass den beiden Lieben da unten etwas passieren könnte und dann... Ich glaube, das könnte ich nicht überleben.

So, noch einmal Dir, Emmi alles Gute und herzlichen Glückwunsche nachträglich.

Euch beiden herzliche Grüsse und alles Gute
Eure Christa