Christa Lehmacher an ihre Familie, 30. September 1944

Herkenrath, den 30.9.1944

Meine Lieben!

Da ich keine Lust habe, jedem von Euch einen Brief zu schreiben, mache ich mal wieder Durchschläge. Ich denke, Ihr werdet auch damit zufrieden sein. - -

Wir haben also wieder einen sehr schweren, diesesmal Tagesangriff auf Köln gehabt. Es sieht furchtbar aus. Hauptäschlich wurde wieder die Innenstadt getroffen. Aber auch die Aussenbezirke wie Klettenberg, Sülz, Niehl, Nippes, Riehl, Ehrenfeld, Mülheim sind schwer mitgenommen worden. Mohrins und in unserer Wohnung ist nichts passiert. Gross ist die Totenzahl, da der Alarm sehr spät kam, es fielen schon die Bomben. Es war gar nicht möglich, den Luftschutzkeller aufzusuchen.

Vom Opernhaus bis zum Neumarkt ist alle 5 mtr eine Bombe gefallen.

Gerling-Konzern ist getroffen, Kreissparkasse, die Feuerwehrwache am Neumarkt. Die Strassenbahnverbindungen sind zerstört. Es fahren keine Bahnen in Köln. Die Mülheimer Brücke hat einen Treffer bekommen, ist aber durchgeschlagen, sodass die Wirkung nicht sehr groß ist. Allerdings wird sie wohl längere Zeit für Verkehr gesperrt sein. Es ist grauenhaft. - -

Ich hatte einen guten Schutzengel. Ich bin in der vergangenen Woche jeden Tag in Köln gewesen, da ich meinen Führerschein gemacht habe. Am Dienstag Morgen war ich in Köln und habe die Prüfung gemacht. Nachmittags waren wir bei Mohrings, Tante Betty hatte ja Geburtstag. Am Mittwoch Morgen um 7 Uhr sind wir nach Herkenrath gefahren. Um 10 Uhr kam der Angriff. Einen Tag eher und ich wäre genau auf dem Ring im schlimmsten Angriffsziel gewesen. – In Herkenrath war es auch sehr schlimm. Wir gaben Alarm und in demselben Augenblick fielen auch schon die Bombenteppiche in Köln. Bei uns hat alles gewackelt. Unsere Leute fingen an zu schreien. Es war furchtbar. Zudem haben wir noch sehr stark unter Tieffliegerbeschuss zu leiden. Dauernd haben wir feindliche Jäger in der Luft. Gestern haben ein paar Flieger kurz hinter uns eine Kuh auf der Weide getötet und haben in Wohnungen reingeschossen. Man ist also keinen Augenblick seines Lebens mehr sicher. – Ich bin doch sehr froh, dass ich auf Herrn Berger gehört habe undMutter und Uta nicht hierher holte. Das kann ich immer noch machen. Aber im jetzigen Augenblick hätte ich ja keinen Augenblick Ruhe. Dauernd müsste ich das Pans suchen, damit sie mir nicht tot geschossen wird. Naja, auch diese schlimme Zeit wird ja wohl eines Tages vorüber gehen.

Lieber Robert!

Du bist ein großer Faulpelz! Warum schreibst Du nicht mehr? –

Denkst Du mal am 5. Oktober an mich! Dann bin ich wieder frei!!! Dann wird das Urteil rechtskräftig.

Herzliche Sonntagsgrüße Dir und Emmi,
Eure Christel