Freund Hans an Horst Schmitt, 9. Juni 1942

Kerény, d. 9.6.42.

Lieber Horst!

Na, wie gefällt es Dir denn da in Württemberg. Hoffentlich gut. Ich will ja hoffen, daß Du etwas von Dir hören läßt. Wie Du schon an meiner Adresse siehst sind wir hier in der Batschka nicht in einem Lager sondern in Privatquartieren untergebracht. Hier sind wir nämlich in einem 6000 Einwohner zählenden Dorf, das rein Deutsch ist, untergebracht. Es sind dies hier Donauschwaben die ihr Stammland grad da haben wo Du sitzt. Na, obgleich der Dialekt nicht gleich geblieben ist, so wird er doch so ähnlich sein. Wir haben zuerst ziemliche Schwierigkeiten zu überwinden gehabt um die Leut‘ zu verstehen; doch umgekehrt war es genauso. Wie Du sicher schon von Mutter erfahren hast sind wir am 18.5. von zu Hause weggefahren und zwar mußte ich mich in Herford stellen. Am Spätnachmittag sind wir dann per Sonderzug mit rund 900 Kindern losgegondelt. Kannst Dir vorstellen, was das fürn trara war? Wir sind über Hamm, Kassel, Nürnberg bis nach Passau gefahren. Hier waren wir am Dienstagabend. Nachdem wir gegessen hatten wurden wir zum Schlafen in einen Saal gebracht. Das Essen war ganz gut nur... (Gewürz müssen die noch viel haben). Am nächsten Morgen bestiegen wir den Dampfer und machten eine herrliche Donaufahrt nach Wien, wo wir spät abends ankamen. Nach dem wir hier zum 1. Mal in Betten (DJH) übernachtet hatten ging es am Morgen weiter nach Budapest. Auch an Preßburg kamen wir vorbei und passierten die gr. u. kl. Schütt (zwischendurch ist ein Tag vergangen 10.6.42)-insel und legten dann gegen Abend in Budapest an. Hier bestiegen wir unsern Zug der uns in die Batschka bringen sollte. Um 7.00 Uhr kamen wir morgens in Kerény an. Du kannst Dir garnicht denken was das für ein Empfang war. Der ganze Bahnhof voller Deutscher. Wie wir erfuhren hat Kerény sicher zu Serbien gehört und ist daher nicht ganz vom Kriege verschont geblieben. Wir zogen dann zum Heim wo wir uns waschen u. essen[?] konnten und wo man uns in einer herzl. gehaltenen Ansprache begrüßte, die unser Hauptlagerleiter ebenso erwiderte. Dann wurden die Privatquartiere verteilt wobei ich mit einem anderen zusammen zum Bürgermeister, der hier Richter heißt, gekommen bin. Alle wurden recht herzl. aufgenommen und bekamen gleich sehr gut zu essen. Die nächsten Tage blieben ganz frei, damit sich die Jungen einleben konnten. Zum Hauptlager Kerény gehört aber auch noch das im Nebenort, das ich in meiner Eigenschaft als Hptlagermschf. öfters besuchen muß.

Wenn Du es auch niemals so gut haben kannst, wie ich, so will ich doch hoffen, daß das Dir da in Württemberg gefällt. (Übrigens ist es eine große Ehre für Dich wenn ich Dir schreibe, denn wir dürfen nur 1 Brief od. Karte pro Woche schreiben und das ist wenig, denn ich will doch eigentlich jede Woche nach Hause schreiben.). Übrigens da Du garnicht so weit von Heidelberg weg bist, so kannst Du Grete Jäger geb. Wilk mal besuchen. Du gehst vom Bahnhof gleich nach links bis Du zur Neckarbrücke kommst. Die Straße auf der andern Seite ist die Brückenstr. in der meine Schwester wohnt (Nr. 13. Herrenschneider oben) Nun möchte ich aber eigentlich mal wissen wie Du es angetroffen hast. War schon alles vorhanden? Hier nämlich war garnichts! ist auch noch nichts! Wie ist eigentlich der Lagerbetrieb da mit deinen 60 Jungen. Was macht ihr den ganzen Tag? Wir haben hier wenig Dienst wegen der großen Hitze (33° im Schatten 48° in der Sonne) und das ist noch längst nicht alles. Doch braun bin ich noch nicht, denn wenn man sich in die Sonne legt, dann bekommt man in 2 Min. einen Sonnenbrand. Na, bei Euch wirds wohl nicht so schlimm sein. Übrigens hast Du mal Gelegenheit aus Deiner Einöde herauszukommen um Dir die Gegend anzusehen? Wir können wohl aber hier gibt es nur Weiden u. Felder. Ab und zu mal ein kl. Dorf. Nur keine Wälder und kein Gelände. Das ärgert mich am meisten. Wenn ich hier wegkomme, dann besuche ich Dich nur aus diesem Grunde für ein paar Tage. Denn ich sehne mich richtig nach einem schönen Geländespiel. – Hast Du eigentlich viel Arbeit? Obwohl wir nur an 3 Nachmittagen u. 1 Morgen Dienst haben habe ich doch nur für [?] 1 Nachmittag frei. An den anderen Tagen ist immer was zu tuen. Wenn dies mal nicht der Fall sein sollte fahre ich nach Sconophga[?] (zerbrech Dir nicht die Zunge), das ist unser Nachbarort. Freu Dich daß Du das nicht brauchst! Denn hier sehen die Straßen so aus wie bei uns zu Hause die schlechtesten, ausgefahrensten Feldwege. Wenn es dann nach einem Regen sehr heiß ist, dann sind die Wege, Verzeihung Straßen, mit [?] bedeckt und man muß 5 Km schieben. Schön was? Doch jetzt hast Du genug, doch ich erwarte mehr und vor allem öfters was von Dir weil ich aus erklärlichen Gründen nicht Kann. Grüß bitte bei Gelegenheit die Klasse und [?. ?] und sei selber gegrüßt von Deinem Hans.

N.S. Hier noch einmal meine Adresse: in Normalschrift!

Hans W. b. Andreas Touch
Kereny/Bacska-Bodrog m
Ludwig Kossuth Gasse 71