Horst Schmitt an seinen Vater, 12. August 1942

Schloss Grafeneck, 12.VIII.42

Lieber Vater.

Nun komme ich endlich mal wieder zum Schreiben. Musst schon entschuldigen, dass ich Dich solange hab warten lassen. Aber ich konnte nicht eher schreiben; denn es fehlte mir sehr an Zeit. Wir haben nämlich die Pimpfenprobe mit den Jungen hier gemacht. Da gab es natürlich allerhand vorzubereiten, zu lehren, zurechtzustauchen und zum Lernen anzuhalten. Nun ist die Pimpfenprobe bald vorbei! Dann fängt das Arbeiten auf dem Felde wieder an. Das freut mich ja nun nicht allzusehr.

Du wirst sicher inzwischen meine Karte aus Ulm bekommen haben.

Wie Du durch diese erfahren hast, bin ich auf dem Turm des Ulmer Münsters gewesen. Die Höhe ist einfach fantastisch. Als ich herabstieg, habe ich versucht, die Stufen zu zählen. Ich war noch nicht bis zur Hälfte unten, als ich schon 300 Stufen hinter mir hatte. Da habe ich es aufgegeben. Einige wunderschöne Ansichtskarten habe ich mir auch gekauft mit einem sehr schönen Heft, das den Bau und die Bauzeit beschreibt. Darinnen (in dem Heft) sind sehr schöne Photographien. Der Grund, weshalb ich nach Ulm gekommen bin, war folgender: unser kleinster Junge kann weder in der Schule

noch im Dienst mitkommen. Da ist er nun abgeschoben worden und zwar nach Ingerkingen, Kreis Biberach. Auf der Bahnstation Schemerberg musste ich aussteigen und dann etwa eine Stunde zu Fuss gehen. In Schemerberg traf ich dann Frau und Tochter des vorigen Lagerleiters von Ingerkingen. Diese brachten mich dann zum Lager, welches ich alleine nie gefunden hätte; denn der Weg gabelte des öfteren unterwegs und um 8 Uhr abends waren die Bauern nicht mehr auf der Strasse. Im Lager habe ich dann übernachtet. Am anderen Tage bin ich um 5.15 Uhr aufgestanden und um 7.20 Uhr von Schemerberg

weggefahren. Unterwegs traf ich wieder zwei Leute, von denen die eine Person nach Ulm zu ihrer Schwiegertochter fuhr. Dort angekommen, habe ich dann einen halben Bohnenkaffee (!) erwischt und Kuchen mit Honig gegessen. Ferner noch eine Schütte Brot mit zwei Spiegeleiern. Darauf habe ich mir ungefähr 3 Stunden lang den Dom angesehen. Es war ein schöner Genuss. Nachmittags bin ich dann wieder nach Grafeneck gefahren. Heute ist uns ein Holländer, 14 Jahre alt, der kein Deutsch versteht und sprechen kann, durchgebrannt. Er ist vor einer Woche zu uns gekommen. Nach 3 Stunden hatten ihn jedoch

die Polizei schon wieder. Er war durch sein schlampiges, echt holländisches Aussehen den Polizeibeamten aufgefallen. Der Lagerleiter hat ihm ordentlich das Fell bearbeitet.

So zum Schluss nochmals vielen Dank für das Reit-ABC. Ich habe es schon durchstudiert. Viel Vergnügen bei Tinnis Hochzeit, der Du auch von mir gratulieren kannst. Viele Grüsse an Mutter und Helmut und an Dich von Deinem Ältesten,