Vater Schmitt an Sohn Horst, 26. Juli 1943

Bocholt, den 26. Juli 1943.

Lieber Horst!

Wir haben Deine beiden Briefe aus Unterwössen und die Karte von Innsbruck erhalten und daraus ersehen, dass Du Dich immer noch wohl fühlst. Wie ich Dir bereits in meinem Brief vom 19.7., den Du inzwischen hoffentlich erhalten hast, mitteilte, musst Du dafür sorgen, dass Du spätestens am 11. August wieder hier eintriffst, da am 12. der Unterricht wieder beginnt; denn die Ferien sind erheblich verkürzt worden, sie sollen dafür Weihnachten verlängert werden.

Im übrigen gibt es verschiedene Neuigkeiten hier. Ich trete nämlich am kommenden Montag (2. August) meine Kur im Sanatorium Wehrawald (Südl. Schwarzwald) an, obwohl ich das eigentlich nicht mehr nötig hätte, da ich mich am vergangenen Freitag gewogen habe und genau 160 Pfund wiege, also mein altes Gewicht wieder habe. Aber andererseits kann es mir nichts schaden, dass ich mal eine Zeitlang ausspanne, vor allem um auch die Nerven zu beruhigen, die ja in heutiger Zeit etwas mitgenommen werden.

Sodann hat Helmut gestern (Sonntag) morgen seinen Gestellungsbefehl erhalten. Er muss am nächsten Sonntag, also am 1. August, zum Arbeitsdienst, und zwar kommt er nach dem Arbeitsdienstlager 11/212 in Hückelhofen, Kreis Heinsberg, das ist in der Nähe von Aachen. Er landet also im schönen Rheinland, und das versöhnt mich mit der Tatsache, dass er schneller, als wir erwartet haben, eingezogen wird. Mit ihm kommt eine grosse Zahl Bocholter 1926er ebenfalls nach Hückelhofen. Allein ist er also nicht. Nun habe ich Mutter vorgeschlagen, da ja Helmut am kommenden Sonntag morgen sich in Recklinghausen stellen muss, mit mir nach Bonn bzw. Godesberg zu fahren. Sie soll dann 10 Tage in Godesberg bei Hoffmanns bleiben und mit Dir zurückfahren. Nach einigem Zögern hat sie sich dazu bereit erklärt. Da also von uns in der Zeit vom 1. bis 10. August keiner zu Hause ist und wir alle „ausgeflogen“ sind, musst Du Deine Post zunächst nach Godesberg, Deutschherrenstrasse 45, schicken. Du musst aber immer bedenken, dass die Post zurzeit ausserordentlich viel Zeit gebraucht. So erzählte mir Herr Looks am Sonntagmorgen, dass er einen Brief von Dir erhalten habe, der, nach dem Poststempel zu urteilen, genau 14 Tage (!!!) unterwegs war. Also das musst Du immer beherzigen, wenn Du schreibst. Es dauert natürlich nicht immer so lange. So war z. B. Deine Karte aus Innsbruck schon am vergangenen Donnerstag (am 22. August) hier.

Im übrigen kann ich Dir jetzt schon meine Adresse mitteilen. Sie lautet einfach: Sanatorium Wehrawald, Todtmoos, Südl. Schwarzwald. An Helmut kannst Du auch schon sofort, wenn Du diesen Brief erhälst, schreiben. Ich denke mir, dass die Adresse lautet: Arbeitsmann Helmut Schmitt, Arbeitsdienstlager 11/212 Hückelhofen, Kreis Heinsberg, Bezirk Aachen. Er wird gewiss Spass haben, wenn er schon in den ersten Tagen seiner neuen „Beschäftigung“ Post erhält. Übrigens weiss er im Augenblick noch gar nicht, dass er am 1. August eingezogen wird. Denn er musste Sonntagmorgen um 6 Uhr nach Bottrop fahren, wo er mit zahlreichen anderen 1926er aus Bocholt an einem Luftschutzkursus teilnimmt. Sie kommen erst am Mittwoch (28.7.) zurück. Er wird dann gewiss grosse Augen machen. Mutter habe ich vorgeschlagen, dass sie Helmut mit Dir, sobald Ihr wieder zu Hause gelandet seid, besucht; denn das ist nicht sehr schwierig. Die Reise geht über Duisburg-Krefeld, München-Gladbach.

Du wirst ja inzwischen wieder weiter herumgereist sei, sodass Dir der frühere Abbruch Deiner Lagerzeit nicht so schwer fallen wird. Auf jeden Fall musst Du Deiner vorgesetzten Dienststelle klar machen, dass Du am Schulbeginn wieder zu Hause sein musst. Am besten ist es, wenn Du etwa am 9.8. abfährst, am 10. in Godesberg bleibst und dann mit Mutter am 11. die Heimreise antrittst, dami Du am 12. morgens 8 Uhr so und so viel Minuten das Tor der Oberschule durchschreitest, um in die Klasse 8 einzutreten. In diesem Sinne sei herzlich gegrüsst von uns allen, auch von Herrn und Frau Pesch, die Samstag und Sonntag zu Besuch hier waren, besonders von

Deinem Vater.

Herzlichen Gruß
Hans Seggewiss

Hoffentlich hast Du inzwischen das Geld erhalten, das ich Dir per Postanweisung geschickt hatte (am 19.VII.43)

Lieber Horst!

Schreibe mir früh genug nach Godesberg, wann ich Dich erwarten kann. Laß Deinen Koffer an der Bahn stehen, daß Du nicht unnötig schleppen mußt. Dann fahren wir beide zus. nach Bocholt, damit Du hier an der Penne keine Scherereien hast. Viele Grüße

Mutter