Helmut Schmitt an Bruder Horst, 14. April 1944

Kukes in Albania

1.)

(O. U.) Kukes, den 14.IV.44.

Lieber Horst.

Lieber Horst. Inzwischen habe ich von Dir 2 Briefe erhalten, und zwar den vom 9.II.44. und 2.IV.44. Den vom 9.II.44 habe ich am 12.IV.44 zusammen mit der Post von den Eltern erhalten. An diesem Tage bin ich auch in Kukes angekommen. Am gleichen Abend bin ich zur Schreibstube gegangen und habe allerhand Post erhalten. 7 Briefe und sage und schreibe 1 Paket. Die Freude war überaus groß. Das kannst Du Dir ja wohl vorstellen, wenn man mal 1 Monat und 1 Woche keine Post bekommt. Heute, am 14.IV.44 habe ich wieder 1 Karte und einen Brief bekommen. Die Karte war von den Eltern, und der Brief von Dir, lieber Horst. Nun möchte ich zunächst Deinen Brief vom 9.II.44 beantworten. Ich möchte Dich zunächst zu Deinem Abitur grattulieren. Du schreibst da in Deinem Brief,

2.)

daß es mir in Kroatien gut gefällt. Es hat mir tadellos gefallen. In Montenegro war die Stimmung und Freskalien weniger. Aber jetzt in Albanien ist es ausgezeichnet. Genug Geld und vor allen Dingen genug zum kaufen. In Montenegro hatten wir genug Geld, aber nichts zum kaufen. In Kroatien hatten wir zu wenig Kunas und es war demnach alles zu teuer. Die Kunas von Kroatien taugen also nichts und die Liren (ital.) und Kreditmarken von Montenegro auch nicht. Aber die albanischen Leks, das sind die richtigen. Jetzt bin ich schon in der Hauptstadt Kroatiens (Agram), Montenegros (Cetinje) und in der Hauptstadt Albaniens (Tirana) gewesen. Nach der letzteren habe ich eine Spritzfahrt gemacht. Ich drücke mich nämlich beim Barras, wo ich nur kann. Den Dreh habe ich nun einmal heraus.

3).

Exerzierdienst kenne ich seit einem Monat nicht mehr. Nun die Fahrt von Cetinje nach Kukes. Von Ostersonntag auf Ostermontag war ich wiedereinmal auf Partisaneneinsatz. Dieser war am Stadtrande von Cetinje. Rund um Cetinje sind ja bekanntlich nur Berge. Aber keine wie das Siebengebirge, sondern noch etlige Meter höher. Gewaltige Berge. In der Nacht zwischen den beiden Feiertagen habe ich hoch oben auf so einem Berge geschlafen, bzw. Wache gehalten. Gegenüber auf einem anderen Berge lagen nämlich die Partisanen. Es knallte auch noch lustig in der Nacht. Einige Partisamen habe ich am Tage durch eine italienische Eierhandgranate erledigt. Mit 3 Brigaden kommen die Hunde. Ringsum von Cetinje knallte es. Am Montag um die Mittagszeit wurden wir abgelöst. Nun beginnt erst die richtige Fahrt. Am Dienstag-

4.)

morgen um 8 Uhr sind wir von Cetinje mit einem LKW abgefahren. Dann ging’s durch und über gewaltige Berge. In diesen Bergen lag der Schnee noch 2 m hoch. Die Serpentinen sind ganz etwas herrliches. Kurve hinter Kurve. Überall steht ... kurvenreiche Strecke. Anschließend kamen wir in ein Tal, der Schnee war überall schon verschwunden. Darauf kamen wir nach Budva, was direkt am Meer liegt. Dann sind wir 8 Stunden am Meer entlang gefahren. Unter Oliven und Palmen führte die Fahrt nach Skutari (Shkoder). Am Skutarisee sind wir ebenfalls entlang gefahren. In Skutari haben wir eine Nacht übernachtet. Um 6 Uhr morgens sind wir von Skutari abgefahren und kamen nachmittags in Kukes (Küküs) an. Hier ist es nun ganz famos. Genug zum Essen und herrliches Wetter. Ich bin schon bald zu einem Neger geworden. Das wäre nun die Fahrt von Cetinje nach Kukes.

5.)

Die Abiturfeier muß Du mir noch mehr erklären und erzählen. Nun käme der zweite Brief vom 2.4.44.

Ich freue mich sehr, daß Du wieder in die KLV gefahren bist. Da hast Du ja noch ein ganz tadelloses Lager bekommen. Du schreibst da in diesem Brief, daß ich Land u. Leute kennenlerne. Darauf kannst Du verlassen. Ich verstehe gut mit ihnen umzugehen. Nun sitze ich nicht mehr in der Hauptstadt Montenegros, sondern in einer Albaniens. Das Jochen Kraatz gefallen ist, hat Vater mir schon geschrieben. Ja, es ist sehr traurig. Auf der Fahrt von Cetinje nach Kukes kamen auch die englischen Flieger. Nun möchte ich schließen, da ich den Eltern nun auch noch schreiben wollte. Nun schreibe ich Dir aber öfter. Deine Feldpostnr. von Münster hatte ich leider vergessen, so konnte ich Dir nicht schreiben. Für heute

6.)

sei herzlich gegrüßt von Deinem Bruder, der sich auf dem Balkan ganz wohl fühlt!

Helmut