Mutter Schmitt an Sohn Horst, 27. August 1944

Bocholt, 27.8.44.

Lieber Horst!

Für Deine beiden Briefe, 10 vom 18.8., der am 22.8. ankam, und 11 vom 21.8., der am 26.8. hier ankam, recht vielen Dank. Wir haben uns sehr gefreut darüber, zumal Du im Ersten so ausführlich den Tageslauf oder besser „Läufe“ geschildert hast. Daß es nicht immer so bei Euch ist, glauben wir auch unbesehen; denn Komiß ..., na ja, Du weißt ja. Alles kann der Mensch ertragen, nur nicht eine Reihe von guten Tagen. Sonst würden ja die Bäume in den Himmel wachsen. Aber einmal geht auch dieser Krieg zu Ende, vielleicht schneller, als man glaubt.

Von Helmut erhielten wir am 24.8. auch wieder Post. Er hatte gut zwei Wochen nicht geschrieben, und auf dem Balkan weiß man ja nie, was los ist. Er ist aber immer noch bei Skutari. Es geht Ihm immer noch „tadellos“. Ich bin ganz stolz auf meinen „Kleinsten“, weil er so tapfer ist, und garnicht stöhnt. Ein Bild haben wir von Ihm nicht mehr bekommen. Er liegt jetzt in einem Dorf. Theo Schleiting, der mit Helmut ausrückte, ist augenblicklich in Urlaub. Ich hatte Ihn zuerst nicht erkannt, so schmal und blaß ist er geworden. Vor Tarnopol wurde er verwundet, und lag sehr lang im Lazarett.

Du möchtest wissen, wie sich die neuen Maßnahmen auswirken. Zuerst will ich Dir mitteilen, daß auch ich am 1.9. anfange, bei Markwart zu arbeiten, und zwar Nachmittags ein paar Stunden, steht auf dem Papier, das andere wird sich schon finden, denke ich. Frau Dr. Arend z. B. steht lieber an der Drehbank bei Pirrow, als daß sie Ihren Haushalt und die 3 Kinder versorgt. Sie überläßt das lieber dem Mädchen. Die Hausgehilfinnen

Die 14 M für September gehen morgen ab.

Wie ist es mit dem Rendezvous mit Heribert Hoffmann?

werden alle herausgezogen, mit einigen Ausnahmen. Wenn wir Frauen bis 50 Jahre einmal an die Arbeit gehen, wird der Laden schon klappen, oder glaubst Du nicht? Wenn die Sache einmal richtig angelaufen ist, kommen sicher noch ganz kuriose „Fälle“ zu Tage, die zur Erheiterung des Lebens beitragen. Fr. Rau freut sich, daß Sie an mir eine „Leidensgenossin“ hat. Fr. Wüsten arbeitet auch bei M. Ich bin da in guter Gesellschaft. Herr Rau ist auch seit 14 Tagen eingezogen, und Dir. Meyer (Kaufm. Berufsschule und Handelsschule) bekommt auch die Beine langgezogen, ebenso unser Herr Termat.

Die Schule, sowie das Milchgeschäft sind geschlossen. Ich denke diese Neuigkeiten interessieren Dich sehr. Dir alles schreiben, dazu würde mein Papier nicht reichen.

Gestern Abend sind wir wieder mal bei Looks gewesen. Sie haben sehr schöne Wochen in Kufstein verbracht. Am schönsten war jedoch, als Herr Looks erzählte, daß Er in Rudolfs Jungvolkhose Touren gemacht habe. Stelle Dir illustriert vor: „Herr Looks als Pimpf!“

Eine Karte der Technischen Hochschule lege ich bei. Erledige das bitte gleich. Da Vater sich noch anhängen will, möchte ich für heute schließen. Recht herzliche Grüße meinem lb. Großen und bleibe mir gesund und munter Deine Mutter.

Lieber Horst! Diesmal hat Mutter mal wieder ihr Herz ausgeschüttet, sodaß für mich nicht mehr viel zu erzählen übrig bleibt. Vor allem hat sie die Pointe mit Herrn Looks schon vorweg genommen. Im übrigen freue ich mich schon auf das erste selbstverdiente Geld von Mutter (Stundenlohn 54 ½ Pfg.!!) Was können wir uns jetzt erst alles leisten bei dieser Einkommenssteigerung! Ich habe allerdings die Meinung, daß sie nicht lange dauern wird. In diesem Sinne sei herzlich gegrüßt von Deinem Vater.

Auch Heinz grüßen wir herzlich.

Dein Brief an Looksens haben wir gestern abend auch zur Kenntnis genommen.