Horst Schmitt an seine Eltern, 3. November 1944

Nr. 24

Dänemark, 3.11.44.

Meine lieben Eltern!

Meinen letzten Brief Nr. 23 aus Ulfborg habt Ihr sicher schon erhalten. Wie Ihr aus dem Stempel ersehen könnt, ist der Brief bis Hamburg gebracht worden und dort in den Kasten geworfen worden. So wird er schneller übergekommen sein. Gleichzeitig habe ich mir von Hamburg aus nochmal Postgeld abschicken lassen. Ich hatte ja noch 40,- RM in der Tasche. 15,- RM habe ich dem Kameraden nach Hamburg mitgegeben. So werde ich das Postgeld noch vor meiner Abfahrt erhalten.

Nun habe ich mal wieder einige Neuigkeiten für Euch. Vorgestern hatte unsere Batterie eine Batterieübung. Bei solchen Batterieübungen werden evtl. vorkommende Ereignisse durchgespielt und zwar im Rahmen der gesamten Batterie. Nun sind da eine ganze Reihe Uffz.-Stellen wie z. B. Geschützführer. Alle diese Uffz.-Stellen nun waren von uns R.O.B.s besetzt. So hatte auch ich eine Uffz.-Stelle und zwar im Batterietrupp. Selbstverständlich waren wir beritten. Die Übung war sehr schön, vor allem das Reiten. Über Gräben und Felder ging es im Jachtgalopp mit dem Batterietrupp, bestehend aus 8 Reitern, davon 6 Uffz., vorwärts. Da hättet

Ihr mal Euren Ältesten sehen sollen!

Heinz hatte diese Übung nicht mitgemacht und zwar aus folgendem Grund: Während meines Kommandos in Ulfborg sind 8 R.O.B.s von unserer Batterie zu einer anderen Batterie in 8 km Entfernung als Hilfsausbilder versetzt worden. So sind Heinz und ich also nach Umfahren von mancher Klippe nun doch auseinandergekommen. Doch ist diese Trennung, Gott sei Dank, nicht von langer Dauer; denn in 10-12 Tagen erfolgt unsere Abstellung zum R.O.B.-Lehrgang, der am 15.11. beginnt. Wir haben bisher geglaubt, wir würden die Zeit zwischen unserer Beförderung zum R.O.B. und dem Beginn des Lehrganges in Osnabrück verbringen. Leider ist dies nicht so, man behält uns alle als Hilfsausbilder in der Batterie zurück. Ein Teil von uns ist in der Feuerstellung geblieben und 4 Mann sind zur Protze gekommen. Darunter bin auch ich und habe das Glück, mit den 3 Besten von unserem Zug versetzt zu werden. Da kann man immer wieder sehen, wie man eingeschätzt wird! Und das beruhigt kollosal! Jeder von uns Vieren hat eine Stube bekommen und „regiert“ da als Stubenältester. Ich habe da nun ziemliches Pech gehabt, was mich natürlich angesichts der kurzen Dauer nicht erschüttert. Auf

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meiner Stube sind nämlich die 6 größten „Schlote“ der Batterie und der Spieß, der übrigens ein tadelloser Mann ist, - bisher habe ich noch keinen schlechten Spieß persönlich kennengelernt -, hat es mit zugetraut und zur Aufgabe gemacht, diese „Leutchen“ zu bessern. Er will mir dabei ein „bißchen“ helfen. Die Hilfe besteht z. T. darin, daß diese 6 2-3 Mal am Tage Sonderappell haben und beim Auffallen nichts zum Essen erhalten. Dies ist natürlich eine sehr wertvolle Unterstützung. Schon in unserem Zug waren schon eine Reihe von Nicht-R.O.B., die „etwas“ dumm waren, wobei zu bemerken ist, daß wir hier die meisten Tatsachen „etwas“ verkleinert werden. So Dumme, wie bei den Nicht-R.O.B. hatte ich bis dahin noch nicht gesehen. Diese Nicht-R.O.B. nun sind noch „Weltweise“ gegenüber denen, die jetzt bei mir auf der Stube liegen. Es wäre traurig, wenn ich länger auf der Stube liegen müßte. Dazu kommt nun noch, daß diese Jungen, alle vom Jahrgang 27, die ohne jede Erziehung von zu Hause hierher gekommen sind, unglaublich schlodderich sind. Wenn man nicht aufpaßt, waschen sie sich nicht, kämmen sich nicht. Sie ziehen sich nur so an, daß sie nicht gerade nackig sind. Es ist gut, daß man auch mal in die tief-

sten Abgründe der Menschheit hineinsehen kann. Man glaubt sonst, alles wäre so ideal, wie man es gewohnt ist, und die, welche von solchen heruntergekommenen Menschen erzählen, hält man für Übertreiber. Man muß eben jedem Ding eine gute Seite abgewinnen!

Eben sagte mir der Spieß, daß Übermorgen von uns 22 R.O.B.s 15 abgestellt werden. Bleiben nun die 7 Schlechtesten oder die 7 Besten hier. Ist letzteres der Fall, so bleibe ich hier! Na, ich werde Euch schnellstens benachrichtigen, besonders über irgendwelche Treffmöglichkeiten.

Die Postverbindung Bocholt-Dänemark scheint augenblicklich mal wieder unterbrochen zu sein. Schon seit bald 14 Tagen warte ich auf einen Brief von Euch. Jetzt habe ich ja mehr Zeit. Da werde ich schnellstens Fam. Kraatz und Looks schreiben. Ich stehe sehr in Briefschuld.

Nun Schluß. Grüßt mir die Fam. Kraatz, Looks und Belting auf das herzlichste von mir. Mit den besten Grüßen und Hoffnungen bleibe ich in alter Frische

Euer Ältester.

Was macht mein „Brüderlein“?