Horst Schmitt an seine Eltern, 21. Dezember 1944

Nr. 30

Osnabrück, 21.12.44.

Meine lieben Eltern!

Gestern war unsere Weihnachtsfeier hier in der Offiziersnachwuchsbatterie. Es war eine Feierstunde, die entsprechend der Zuhörerschaft zu einem schönen Genuß wurde. Ein gutes Quartett spielt schöne Musikwerke, und im Geiste sah ich mich ins Schützenhaus versetzt. Der Chef hielt eine Ansprache, die aber ganz auf das 6. Kriegsjahr abgestimmt war und mit Weihnachten wenig zu tuen hatte. Trotzdem hatte uns allen der erste Teil des Vorweihnachtsabends gut gefallen. Anschließend fand das Festessen statt. Riesige Mengen wurden aufgetragen,

sodaß überall eine wohlige Sattheit herrschte, die ja beim Soldaten stets die unbedingte Voraussetzung für eine Feststimmung ist. Leider ist es so! Daran anschließend fand dann ein 3stündiger großer Bunter Abend statt. Mit viel Witz waren da zunächst unsere Vorgesetzten durch den Kakao gezogen. Gerade an dieser Arbeit konnte man erkennen, daß die ganze Batterie mit dem Handeln und Tun einverstanden war und ist. Wir haben viel gelacht. Die evtl. aufkommenden trüben Gedanken wurden schnell und sicher verjagt.

So ist also für uns als Soldaten Weihnachten schon um. Aber trotzdem kommt das richtige Weihnachtsfest noch. Die 3 Tage, die uns noch von den Festtagen trennen, sind bald um. In solchen

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Tagen gehen die Gedanken häufiger nach Hause. Besonders die früheren, zu Hause gefeierten Weihnachtstage sind Gegenstand der Gedankengänge. Mit Heinz rufe ich mir auch viel das Weihnachtsfest des vorigen Jahres ins Gedächtnis. So hat wenigstens der „innere Mensch“ auch etwas von den Festtagen.

Der Sonntag wird selbstverständlich mit einem Kirchgang gekrönt. Sollte es mir am Montag noch gelingen, in die Kirche zu gehen, so habe ich das Weihnachtsfest so gut, als es mir möglich ist, gefeiert.

Und wie ist nun, liebe Eltern, das Weihnachtsfest bei Euch verlaufen. Mit den schönen Geschenken wird es wohl nichts geben. Hoffentlich ist es diesmal das letzte Weihnachtsfest, daß wir erstens

getrennt und zweitens unter solchen Umständen feiern. Dieses ist mein größter Wunsch, und hoffentlich geht dieser Wunsch bis zum nächsten Fest des Friedens in Erfüllung.

Nach einer Unterbrechung setze ich den Brief fort. Kommt doch gestern Abend, ich liege angezogen auf meinem Bett und denke an mein zu Hause, ein Gefr. und fragt nach einem Kan. Belting. Zu unserer größten Freude und Überraschung entpuppt sich dieser Mann als ein Gesandter meiner lieben Eltern. Schnell ging es an ein Erzählen. War doch das von ihm Erzählte die erste Nachricht von Euch seit Eures Besuches hier. Meine Freude über den beiliegenden Brief, er ist der erste seit dem 1. Okt., und die leckeren Sachen,

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stiegen ins Unermeßliche. Ich mußte an die vielen Weihnachtsfeste denken, bei denen Helmut und ich auch immer so schön überrascht wurden. Und da schreibt Mutter in Anbetracht der schönen Handschuhe, der Hosenträger, vor allem der feinen Wäschetasche und der vielen Sachen zum Schleckern noch, es wäre nicht viel! Nein, meine Lieben, Ihr müßt Euch in meine Lage versetzen, der ich durch die schlechte Postverbindung durch Euch getrennt, so lange nichts mehr gehört hatte, dann könnt Ihr ohne Weiteres mein Jubeln verstehen! Im übrigen ist für einen Soldaten alles, was von den Eltern kommt, immer von weitaus größere Bedeutung, als alles andere.

Die neuen Handschuhe habe ich schon gleich heute morgen einweihen

können: Es wurden nämlich heute morgen zwei Mann gesucht, nach den Worten des Bttr.-Chefs die Besten, die ein Weihnachtsgeschenk der Batterie dem Herrn Regimentskommandeur zu überbringen hatten. Dazu wurde auch ich ausgewählt. Da man bei den Vorsetzten im Dienstzimmer immer mit Handschuhen und Mütze erscheint, so zog ich zu diesem Anlaß meine neuen Handschuhe an. „Pickfein“ sah der ganze Kerl aus. Der letzte Satz des Briefes freute mich am Meisten: wir kommen in nächster Zeit! Das angekündigte Paket habe ich noch nicht erhalten. Es wird wohl bald kommen.

Die besten und herzlichsten Weihnachtsgrüße sendet Euch

Euer Ältester!

Auch vom Heinz die herzlichsten Grüße! (Er ist im Moment nicht da.)