„Die finanzielle Lage war nicht immer rosig.“ - Kindheit in Steinsdorf

Sie habe, so erzählt Elisabeth Schütte, „eigentlich eine recht glückliche Kindheit“ gehabt. Die am 9. Juni 1934 Geborene wächst mit ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Alfred auf dem elterlichen Bauernhof im schlesischen Steinsdorf auf, der der Familie ein gutes Auskommen sichert. Der Hof befindet sich seit Generationen in den Händen der Müllers und wird stets an den ältesten Sohn – in diesem Fall an Elisabeths 1897 geborenen Vater Paul – weitergegeben. Wenn der Bauernhof auch Unterkunft und ausreichende Ernährung sichert, ist die finanzielle Lage insgesamt „nicht immer rosig“, zumal die Geschwister ja in irgendeiner Form abgefunden werden mussten. Auch Paul Müller hätte gern einen anderen Beruf ergriffen und wäre gern Lehrer geworden, doch muss er den Hof übernehmen – nicht zuletzt, weil seine Eltern die Ausbildung zum Pädagogen nicht hätten finanzieren können.

Die Müllers halten als Nutztiere zwei bis drei Pferde, sechs bis sieben Kühe, Schweine, Gänse und Hühner. Hinzu kommen ein großer Garten sowie große, zum Teil gepachtete Felder. Der Hof liegt zentral in Steinsfeld, das wiederum unmittelbar dem größeren Steinau benachbart ist. Getrennt sind beide Orte durch das Flüsschen Steine, dass auch die Grenze zwischen den beiden Kreisen Neiße (Steinsdorf) und Neustadt (Steinau) darstellt. Steinsdorf zählt 1939 lediglich 551 Einwohner, ist zugleich aber Sitz der Amtsvertretung. Das besondere Merkmal des Dorfes ist seine 1586 erbaute Kirche, die auf einer Anhöhe über dem Ort thront und als einer der schönsten Sakralbauten Schlesiens gilt. Elisabeth Schütte betont, dass sie sich in dieser Kirche stets „sehr heimisch und wohl gefühlt“ habe.

 

Ihre Eltern sind bei ihrer Hochzeit bereits Ende 30 - ein für damalige Verhältnisse extrem hohes Heiratsalter. Dennoch gebiert Maria Müller noch zwei Kinder, wobei Sohn Alfred später natürlich den Hof übernehmen soll. „Aber dazu ist es dann ja nie gekommen.“ Zugleich muss sie aber auch auf Hof und Feldern kräftig Hand anlegen, denn zur Unterstützung gibt es im kleinen Familienbetrieb lediglich eine Magd und zur Erntezeit einige Aushilfen. „Ansonsten haben meine Eltern das ziemlich alleine gemacht“, erzählt Elisabeth Schütte und betont, dass es sich wegen des Fehlens jeglicher Maschinen um harte körperliche Arbeit gehandelt habe. Das Pflügen der Felder etwa wird noch mit dem Pferd erledigt. Auch die Winterzeit ist durch permanentes Arbeiten gekennzeichnet. So erinnert sich Elisabeth Schütte noch besonders gut an das Schleißen von Gänsefedern, die so zu Daunen verarbeitet und anschließend verkauft werden.

Angesichts der Arbeitsbelastung werden auch Elisabeth bereits im Alter von sechs, sieben Jahren viele Dinge zugetraut. Sie übernimmt beispielsweise die Verwahrung des Hausschlüssels, damit sie nachmittags, wenn die Eltern auf dem Feld arbeiten, die Gänse füttern kann. Für die eigentliche Feldarbeit sind die beiden Müller-Kinder allerdings noch zu jung.

 

Dafür muss Elisabeth als Ältere aber ständig auf den kleinen Bruder aufpassen. „Da war ich verantwortlich, wenn was passierte.“ Das führt durchaus auch zu körperlicher, von ihr häufig als ungerecht empfundener Bestrafung durch die Eltern.